Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert einer auf Vollstreckungsaufschub gerichteten einstweiligen Anordnung. Keine Bindungswirkung des von den Präsidenten der Finanzgerichte beschlossenen Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt, die Durchsetzung einer Steuerforderung im Wege der Vollstreckung zu unterbinden und hierdurch die Durchführung der Vollstreckung hinauszuschieben, erscheint es gerechtfertigt, den Gegenstandswert ebenso wie in den Fällen der Aussetzung der Vollziehung mit 10 % der Forderungsbeträge zu bemessen, die Anlass der Vollstreckung waren.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von den Präsidenten der Finanzgerichte beschlossenen „Streitwertkatalog für die Finanzgerichtsbarkeit”, der zudem weder für die Kostenbeamten der Finanzgerichte noch für ein nach § 149 Abs. 4 FGO zur Entscheidung über eine Erinnerung berufenes Gericht Bindungswirkung hat.
Normenkette
RVG § 23 Abs. 1 S. 1; GKG § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1-2; FGO §§ 114, 149 Abs. 4
Tenor
1. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
3. Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Im Verfahren 1 V 1528/10 hat die Erinnerungsführerin eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel beantragt, den Erinnerungsgegner – das Finanzamt – zu verpflichten, die Vollstreckung von Steueransprüchen iHv. EUR 49.989,45 einstweilen einzustellen. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 9. November 2010 erlegte der Berichterstatter die Kosten des Verfahrens der Erinnerungsführerin zu 20 % und dem Erinnerungsgegner zu 80 % auf.
Am 12. November 2010 beantragte der Erinnerungsführer die Erteilung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses ausgehend von einem Streitwert von EUR 16.663 (1/3 von EUR 49.989,45). Der Ansatz von 1/3 der Hauptsache ergebe sich aus dem Streitwertkatalog der Finanzgerichtsbarkeit. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, dass nur 10% der streitigen Forderung anzusetzen seien, sei damit überholt, da sich die Präsidenten der Finanzgerichtsbarkeit übereinstimmend auf andere Grundsätze der Streitwertermittlung geeinigt hätten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Januar 2011 setzte die Kostenbeamtin des Sächsischen Finanzgerichts die zu erstattenden Kosten gemäß § 149 Finanzgerichtsordnung auf EUR 401,28 fest. Sie ging von einem Gegenstandswert von EUR 4.998,95 aus. Auch nach dem Streitwertkatalog, der im Übrigen keinen Anspruch auf Verbindlichkeit habe, sei im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung der Streitwert mit 10 % wie im AdV-Verfahren anzusetzen, wenn die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen erstrebt werde.
Mit der Erinnerung verfolgt die Erinnerungsführerin ihr Begehren weiter. Der Erinnerungsgegner ist der Erinnerung entgegengetreten. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligten hatten nochmals Gelegenheit zur Äußerung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg. Der Beschluss der Kostenbeamtin vom 12. Januar 2011 ist nicht zu beanstanden.
1. Die Sache wird durch den Senat gemäß § 5 Abs. 3 iVm. § 149 Abs. 4 FGO und nicht durch den Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO entschieden, da durch den Geschäftsverteilungsplan des Sächsischen Finanzgerichts dem 3. Senat Rechtsmittel gegen Kostenansatz und Kostenfestsetzung als Spezialmaterie zugewiesen sind. Der Berichterstatter des Ausgangsverfahrens 1 V 1528/10, für den sich eine Zuständigkeit nach § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO ergeben könnte (aA FG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2006 4 KO 269/06, EFG 2006, S. 1344, Stapperfend in: Gräber, FGO 7. Auflage 2010, § 149 Rz. 18), ist für das Erinnerungsverfahren nach § 149 Abs. 2 bis Abs. 4 nicht mehr zuständig (ebenso Reuß, Anmerkung zu FG Mecklenburg-Vorpommern 2 Ko 4/10 vom 1. Juni 2010, EFG 2010, 1447 ff., Hollatz, Anmerkung zu FG Baden-Württemberg vom 27. August 2007 8 KO 1/07, EFG 2007, 1973, aA wohl Brandis in: Tipke/Kruse, § 149 AO Tz. 21 und wohl Seer in: Tipke/Kruse § 79a FGO, Tz. 11 mwN zum Meinungsstand).
2. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert zur Ermittlung der Verfahrensgebühr iSd. Nr. 3200 VV RVG nach den Wertvorschriften des GKG. Im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO ist gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG der Wert gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG zu bestimmen. Maßgeblich ist danach in erster Linie die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für die Antragstellerin. Die Bedeutung der Sache ist den Auswirkungen zu entnehmen, die die erlangte oder angestrebte Entscheidung, im Streitfall also die einstweilige Anordnung, auf die Lage der Erinnerungsführerin insbesondere in wirtschaftlicher oder finanzieller Hinsicht gehabt hat (vgl. mwN BFH-Beschluss vom 7. ...