Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei zur Verfügungstellung eines Bankkontos

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO.

2. Derjenige, der einem Einzelunternehmen ein Bankkonto zur Verfügung stellt und damit den Einzelunternehmer in seinem Tatplan eingezahlte Gelder dem FA gegenüber zu verschweigen, nachhaltig unterstützt und den Erfolg der Tat als möglich in Kauf nimmt, da ihm bewusst sei muss, dass die Einzahlungen auf dem von ihm auf seinen Namen eröffneten Konto aus Sicht eines Dritten dem Einzelunternehmer für steuerliche Zwecke nicht mehr zugerechnet werden können, so dass eine Besteuerung der Geldeingänge nicht gewährleistet ist, haftet gem. § 71 AO.

 

Normenkette

AO §§ 71, 191 Abs. 1; UStG § 18 Abs. 1 S. 1; StGB § 27 Abs. 1; StPO § 153a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.10.2016; Aktenzeichen VII R 51/14)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 1. Dez. 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2013 wird dahin geändert, dass die Klägerin i.H.v. 9.427,09 EUR in Haftung genommen wird, und zwar wegen Umsatzsteuer 1999 i.H.v. 721,65 EUR und wegen Umsatzsteuer 2000 i.H.v. 8.705,44 EUR.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten 63 %, der Klägerin 37 % auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin war zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten (B) bis zum 31. Dez. 2000 Gesellschafterin der B GbR (GbR), die einen Groß- und Einzelhandel mit Modeschmuck mit Ladenlokalen in X, Y und Z sowie ein Piercingstudio betrieb. Vor der Gründung der GbR, deren Zeitpunkt streitig ist, und nach dem Ausscheiden der Klägerin zum 31. Dez. 2000 betrieb B das Unternehmen als Einzelunternehmer.

Das FA führte 2004 eine Fahndungsprüfung bei der GbR durch (Bericht über die Fahndungsprüfung bei der GbR vom 14. Dez. 2004 [Bl. 21 Strafakte]). Die Prüferin stellte Folgendes fest:

Am 5. Jan. 1999 eröffnete die Klägerin bei der X-Bank ein Konto (Bl. 28 ErmA), über das im Jahr 1999 ein nicht unwesentlicher Teil des betrieblichen Zahlungsverkehrs des Unternehmens abgewickelt wurde (Bareinzahlungen: 137.300 DM, Barauszahlungen: 105.900 DM [Bl. 79, 95 ErmA; im Einzelnen Bl. 47 Strafakte]). Die Klägerin unterschrieb am 28. Mai 1999 zwei Überweisungsaufträge, um Rechnungen von Warenlieferanten des Unternehmens zu bezahlen (Bl. 95 f. ErmA). Die Klägerin stellte am 24. Jan. 1999 einen Scheck über 12.000 DM für das Arbeitsamt aus (Bl. 159 ErmA), um einen Lohnkostenzuschuss zurückzuzahlen, den B als Einzelunternehmer erhalten hatte (Bl. 48 Strafakte). Der Betrag wurde dem Konto der Klägerin bei der X-Bank belastet.

Während der Fahndungsprüfung legte die Klägerin einen auf den 27. Febr. 2000 datierten „Gesellschaftsvertrag” (Bl. 23 ErmA) zwischen ihr und B vor, nach dem die Gesellschaft zum 1. März 2000 „beginnt”. Die Prüferin nahm gleichwohl an, dass die GbR ab dem Zeitpunkt der ersten Einzahlungen auf das Konto der Klägerin bestand (Ziff. 3.3). Sie wertete Bareinzahlungen i.H.v. 15.000 DM am 6. Jan. 1999, i.H.v. 12.000 DM am 22. Jan. 1999 und i.H.v. 13.000 DM am 18. März 1999 als Gesellschaftereinlage der Klägerin (Ziff. 3.8).

In ihren Vernehmungen als Beschuldigte ließ sich die Klägerin wie folgt ein:

Vernehmung am 3. Nov. 2000 (Bl. 21 ErmA):

Sie habe 1995 von ihrer Mutter 65.000 DM in bar (Bl. 92 ErmA: ungefähr 60.000 DM) geschenkt bekommen (Bl. 92 ErmA: nach dem Tod der Mutter gefunden). Von diesem Geld habe sie B vier Darlehen gewährt, die dieser zurückgezahlt habe. Die GbR sei am 1. März 2000 gegründet worden, da die Klägerin das geerbte Geld (40.000 DM) habe anlegen wollen. Die Klägerin und B hätten im März 2000 vereinbart, dass die Bareinnahmen aus den Filialen in X, Y und Z über das Konto der Klägerin abgewickelt werden. „Im Vorfeld der Gründung der GbR” sei vereinbart worden, dass die Klägerin „die Überwachung und Koordinierung der Bargeldeinnahmen … aus den Filialen … X, Y und Z” bearbeite.

Vernehmung am 23. Juni 2004 (Bl. 90 ErmA)

Sie habe die 40.000 DM, die sie in die GbR einzahlen sollte, zu Hause in bar gehabt. Ob Eingangsrechnungen an die GbR adressiert gewesen seien, könne sie nicht sagen. Sie wisse nicht, ob es einen Firmenstempel für die GbR gegeben habe. Das Konto habe sie 1999 eröffnet, da „zu dieser Zeit bereits im Gespräch war, eine GbR zu gründen.” Das Konto sei mit dem Zweck „eingerichtet worden, dass es ausschließlich für die – geplante – GbR genutzt wird.”

Am 12. Mai 2004 reichte B als Einzelunternehmer eine Umsatzsteuererklärung für 2000 ein, in der er eine Umsatzsteuer von 48.247 DM errechnete (Bl. 13 USt-Akte). Nach Auswertung der Feststellungen der Steuerf...

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