Entscheidungsstichwort (Thema)
Freibetrag für „nebenberufliche künstlerische Tätigkeit” eines nebenberuflich an einer Oper beschäftigten Statisten
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Tatbestandsmerkmal einer „künstlerischen” Tätigkeit ist im Rahmen der Regelung des Freibetrags für eine nebenberufliche Tätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG so auszulegen wie das Tatbestandsmerkmal des Künstlers bei der Prüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
2. Die nebenberufliche Tätigkeit eines Statisten an einem Theater oder an einer Oper erfüllt die Anforderungen an eine künstlerische Tätigkeit, wenn er Tätigkeiten ausübt, die auch von einem Schauspieler oder Sänger – den charakteristischen künstlerischen Akteuren dieser Kunstgattungen –, etwa in einer Nebenrolle, wahrgenommen werden (vgl. Rechtsprechung zum Kunstbegriff). Diesen Bereich verläßt der Statist erst dann, wenn er lediglich als eine Art „menschliche Requisite” – ohne eigenen Ausdruck außer der schlichten Darstellung seines äußeren Wesens – gewissermaßen als Teil der Bühnenausstattung eingesetzt wird.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 26, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 24. September 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2004 wird insoweit abgeändert, als Einnahmen des Klägers aus nebenberuflicher künstlerischer Tätigkeit in Höhe von 2.300 DM steuerfrei zu belassen sind.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger steuerfreie Einkünfte aus nebenberuflicher künstlerischer Tätigkeit bezogen hat.
Der Kläger ist Beamter der Sächsischen Staatsverwaltung. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er als Statist an einer Oper beschäftigt. Im Streitjahr 2001 hatte er dort insgesamt 61 Auftritte mit den Opern „Zauberflöte”, „Ariadne auf Naxos”, dem „Rheingold”, dem „Rosenkavalier” und „Nabucco” sowie in dem Ballett „Rot und Schwarz”.
Der Kläger wurde in den verschiedenen Stücken wie folgt eingesetzt.
In der „Zauberflöte” stellte der Kläger neben anderen Statisten einen Sklaven dar. Am Anfang des Auftritts bürsteten die (Komparsen-) Sklaven im Hintergrund der Bühne den Boden. Im Vordergrund der Bühne sangen die „Chorsklaven”. Im Chor mit den anderen Sklaven sprachen die „Komparsensklaven” (in der einzigen Sprechrolle des Klägers in dem Streitzeitraum) lautstark „Pamina ? Entsprungen ? O Dank Euch, Ihr guten Götter”.
Bei bestimmten Auftritten der Sänger und zu bestimmten Stichwörtern hörten die Sklaven auf zu bürsten und ergriffen später die Flucht. Sie formierten sich rebellisch zu einer Gruppe und rannten zwischen den Bühnenseiten hin und her. Später wurde ein Teppich vor Sarastro ausgelegt, auf ein Stichwort soll der Blick einmal hoch-, einmal nach unten gerichtet werden.
In der Oper „Ariadne auf Naxos” verkörperte der Kläger als Statist die Rolle eines „älteren Schöngeistes”. Nach den vorgelegten Regieanweisungen bleibt er zu einem gewissen Zeitpunkt resigniert stehen. (auf Bl. 11 f der FG-Akte wird Bezug genommen, der Kläger ist hierbei „H 14”).
In der Oper „Parsifal” wirkte der Kläger als Ritter mit. Dort hatte er mit den anderen Rittern beim Einsatz einer bestimmten Musik einen Trauerzug zu formieren und Fackeln anzuzünden. Später stellten sich die „Ritterkomparsen” im Trauerzug pietätvoll auf. Nach Öffnung des Sarges hatten die Gralsritter entsetzt zu reagieren, während die „Komparsenritter” nicht entsetzt waren und beide danach rasch abgingen.
Im Rahmen des Balletts „Rot und Schwarz” nahm der Kläger als Komparse die Rollen als Lakai, Gardeoffizier und Sargträger wahr. Als Stichworte für die verschiedenen Einsätze des Klägers dienten in diesem Ballett bestimmte musikalische Akzente. Als Lakai hatte er einer Dame zu folgen, auf ihren Fingerzeig hin Tisch und Uhr von der Bühne zu räumen, sodann mit vier weiteren Mitwirkenden eine Reihe zu bilden und sich zum Publikum zu verbeugen, als die Ballgesellschaft eintraf. Später waren mit anderen Lakaien Stühle hereinzutragen, im Gleichschritt an einem Sänger vorbeizumarschieren, ihm zuzunicken, die Stühle an bestimmten Stellen abzustellen und abzugehen. Danach waren Sektgläser in der rechten Hand auf einem Tablett auf die Bühne zu bringen und den Tänzern zu reichen. Als Gardeoffizier hatte der Kläger später mit anderen Komparsen eine Gardeformation zu bilden, in einer Dreierformation zu marschieren und auf Kommando die Mütze abzunehmen. Als Sargträger war durch die Komparsen ein Sarg nach dem Priester und den Messdienern mit gemessenen, parallelen Schritten über die Bühne zu tragen.
Für die Mitwirkung des Klägers in der Oper „Rheingold” wurd...