Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit der Erlöse eines einem Verband der freien Wohlfahrtspflege abgeschlossenen eingetragenen Vereins aus einem Behindertenfahrdienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Erlöse eines dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband-Gesamtverband e.V. angeschlossenen eingetragenen Vereins, der unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt, aus Leistungen im Behinderten-Fahrdienst im Rahmen eines Zweckbetriebs sind umsatzsteuerfrei.
2. Die Frage, ob die Fahrdienstleistungen den Behinderten als Begünstigten unmittelbar zugute kommen, entscheidet sich unabhängig von der Frage, wer Vertragspartner der Wohlfahrtseinrichtung geworden ist.
3. Die Beförderung von Menschen mit Behinderungen zu Kindergärten, Schulen und Werkstätten für behinderte Menschen durch einen Verband der Wohlfahrtspflege bzw. eine Mitgliedseinrichtung erfolgt im Rahmen eines Zweckbetriebs, so dass bei Einhaltung des Preisabstandsgebots gemäß § 4 Nr. 18 S. 1 Buchst. c UStG die Beförderungsleistungen umsatzsteuerbefreit sind.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 18 S. 1 Buchst. a, b, c; AO § 53 S. 1 Nr. 1, § 57 Abs. 1, § 66 Abs. 1, 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide v. 20.4.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 28.1.2010 werden dahin abgeändert, dass die Umsatzsteuer 1998 auf 8.498,93 Euro, die Umsatzsteuer 1999 auf 9.680,19 Euro, die Umsatzsteuer 2000 auf 11.721,93 Euro und die Umsatzsteuer 2001 auf 11.975,45 Euro festgesetzt wird.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und der Beklagte jeweils die Hälfte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, inwiefern Leistungen des Klägers steuerbefreit sind.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich vorrangig im Rahmen der Kinder-, Jugend-, Familien-, Alten-, Behinderten- und Gesundheitshilfe betätigt. Er ist dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband-Gesamtverband e.V. als Mitglied angeschlossen.
Der Kläger betreibt einen Fahrdienst. In den Jahren 1998 bis 2002 erbrachte er Fahrdienstleistungen auf der Grundlage von längerfristig abgeschlossenen Verträgen mit gemeinnützigen Körperschaften wie dem LH e.V. und der EB gGmbH sowie mit dem Amt für Kindertagesstätten, dem Jugendamt und dem Schulamt der Stadt D.. Auf den vereinbarten Touren wurden behinderte Erwachsene in Werkstätten und behinderte Kinder in spezielle Kindertageseinrichtungen und Schulen befördert. Es wurden überwiegend rollstuhlgerechte Fahrzeuge eingesetzt. In vielen Fällen fand eine Begleitung durch Zivildienstleistende oder ehrenamtliche Mitglieder statt.
Der Kläger führte auch Fahrten für das Sozialamt, das Arbeitsamt oder von Altenheimbewohnern durch. Mehr als zwei Drittel dieser Fahrten entfielen dabei nach dem Vortrag des Klägers auf Personen, die hilfsbedürftig und nach der Satzung des Klägers begünstigt waren, da Altenheime, Tages- und Kurzzeitpflege und Begegnungsstätten Einrichtungen der Wohlfahrtspflege sind.
Nach einer den Zeitraum 1998 bis 2002 betreffenden Betriebsprüfung ordnete der Beklagte Einnahmen des klägerischen Fahrdienstes teilweise einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers, der nicht Zweckbetrieb sei, zu und änderte Ertragsteuer- und Umsatzsteuerbescheide entsprechend, wobei auf die nicht steuerbefreiten Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % angewendet wurde. Während die Fahrten für das Amt für Kindertagesstätten, das Jugendamt und das Schulamt vollständig als begünstigt aufgefasst wurden, sah der Beklagte eine Begünstigung für Fahrten im Rahmen der Verträge mit der L:, mit dem LwB und der DK lediglich in Höhe von 72 %, mit dem Behindertenfahrdienst Ad. in Höhe von 69 %, Sonstige Fahrten in Höhe von 60 % und im Hinblick auf die Fahrten für einen Unternehmer U. überhaupt nicht als gegeben an. Es ergaben sich demnach Einnahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in folgender Höhe:
1998 |
171.904,81 DM |
1999 |
155.757,78 DM |
2000 |
227.710,26 DM |
2001 |
295.235,94 DM |
Durch Herausrechnung eines Umsatzsteuersatzes von 7 % wurde die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wie folgt ermittelt:
1998 |
160.658,70 DM |
1999 |
145.568,02 DM |
2000 |
212.813,33 DM |
Im Jahr 2001 hatte der Kläger teilweise neue Verträge abgeschlossen und für die auf ihrer Grundlage erbrachten Leistungen Umsatzsteuer zu 7 % erklärt. Für das Jahr 2001 nahm der Beklagte einen nachzuversteuernden Umsatz in Höhe von 38.611,00 DM an.
Vorsteuern unterstellte der Beklagte, indem er den Einnahmen Ausgaben in Höhe von 95 % der Einnahmen gegenüberstellte und 35 % der so errechneten Ausgaben mit einem Umsatzsteuersatz von 16 % belastet sah. Es ergaben sich demnach zu berücksichtigende Vorsteuern in folgender Höhe:
1998 |
7.883,91 DM |
1999 |
7.143,37 DM |
2000 |
10.443,26 DM |
2001 |
1.894,73 DM |
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