Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung aus einem Steuerbescheid ohne Abrechnung und Leistungsgebot als unrichtige Sachbehandlung. Nichterhebung von Kosten. Nicht mehr erfüllbares Leistungsgebot. Kontenpfändung ins Ungewisse. Kostenansatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der dem Steuerschuldner bekanntgegebene Steuerbescheid nur die Festsetzung, jedoch keine Abrechnung und kein Leistungsgebot enthielt.
2. Leitet das Finanzamt die Vollstreckung ein, obwohl die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, so liegt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 346 Abs. 1 AO vor. Dem Schuldner können in diesem Fall keine Vollstreckungskosten auferlegt werden.
3. Ein Leistungsgebot, das als Fälligkeit ein vor seiner Bekanntgabe liegendes Datum ausweist, ist mangels Erfüllbarkeit nichtig.
4. Im Streitfall konnte offen bleiben, ob eine Kontenpfändung ins Ungewisse hinein, die ohne Erkenntnisse über eine bestehende Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerschuldner und der angeschriebenen Bank erfolgte, einen Fehler im Sinne des § 346 Abs. 1 AO darstellen könnte.
5. Es ist zumindest zweifelhaft, ob die Benennung der Kostenbeträge auf der Rückseite der Pfändungsverfügung als Verwaltungsakt (Kostenansatz) anzusehen sein könnte (im Ergebnis ebenfalls offen gelassen).
Normenkette
AO § 254 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 218 Abs. 1 S. 1, § 249 Abs. 1 S. 1, § 125 Abs. 2 Nr. 2, § 118
Tenor
1. Der mit Brief vom 22. Juli 2003 bekannt gegebene Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages von 325,– EUR sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 04. Februar 2004 werden aufgehoben.
2. Die als Festsetzung vom 13. August 2003 bezeichnete Auflistung der Vollstreckungskosten in der Pfändungsurkunde vom 06. August 2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 02. März 2004 werden aufgehoben.
3. Der Abrechnungsbescheid vom 07. Januar 2004 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 04. Februar 2004 wird dahingehend geändert, dass die Vollstreckungskosten von 46,10 EUR aufgehoben werden und der Verspätungszuschlag von 325,– EUR nicht zum Ansatz kommt, so dass sich insgesamt ein Erstattungsbetrag zu Gunsten der Klägerin von 314,32 EUR ergibt.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 92 % und die Klägerin zu 8 %.
6. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig sind steuerliche Nebenleistungen im Zusammenhang mit der Festsetzung und Erhebung einer Umsatzsteuerforderung.
Die Klägerin kaufte im Jahr 2001 in Dänemark ein Kraftfahrzeug der Marke BMW (523i). Nachdem das zu diesem Zeitpunkt für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt B hiervon aufgrund einer Mitteilung der dänischen Steuerverwaltung erfahren hatte, setzte es wegen innergemeinschaftlichen Erwerbs eines neuen Fahrzeugs Umsatzsteuer nach § 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 3.297,65 EUR fest. Ferner erließ es einen Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 325,– EUR. Die Bekanntgabe dieser Bescheide schlug mehrmals fehl, gelang jedoch schließlich durch Übersendung von Kopien mit Schreiben des Finanzamtes vom 22. Juli 2003. Die Klägerin bestätigte den Erhalt der Bescheidkopien unter dem 03. August 2003, legte Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags ein und beglich die geschuldete Gesamtsumme am 12. August 2003.
Zwischenzeitlich hatte das Finanzamt die Vollstreckung eingeleitet. Seine Vollstreckungsstelle hatte eine Auswertung der Steuerakten vorgenommen und eine Kontoverbindung zur Postbank H ermittelt. Sodann hatte sie mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 06. August 2003 den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen, Verspätungszuschlag und Vollstreckungskosten geltend gemacht – jedoch nicht gegenüber der Postbank H., sondern gegenüber der Postbank B., der die Pfändungsurkunde am 07. August 2003 zugestellt wurde. Von dort erhielt das Finanzamt die Auskunft, zur Klägerin bestehe keine Kontoverbindung.
Unter dem 15. August 2003 rügte die Klägerin das Vorgehen des Finanzamtes und teilte mit, die in Kopie übermittelten Bescheide hätten keine Angaben über Zahlungstermine enthalten. Aus den Akten des Finanzamtes ist zu entnehmen, dass die Leistungsgebote zu den Festsetzungen in je einem gesonderten Schriftstück über die Abrechnung der Steuer sowie des Verspätungszuschlags enthalten waren. Die dortigen Anweisungen gaben die Entrichtung des Steuerbetrags bis zum 05. Mai 2003 und des Verspätungszuschlags bis zum 20. Mai 2003 vor. Das Anschreiben vom 22. Juli 2003, mit dem die Festsetzungen zur Umsatzsteuer und zum Verspätungszuschlag übermittelt wurden, nennt als Anlage nur die Bescheide selbst.
Am 08. September 2003 erließ das Finanzamt einen „Abrechnungsbescheid über Umsatzsteuer zur Fahrzeugein...