Entscheidungsstichwort (Thema)
Angelegenheiten aus dem BetrVG. Schwerbehindertenvertretung. Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Schulungsveranstaltung. Freistellung von der Arbeitspflicht. Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Streit zwischen einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Schwerbehindertenvertretung und dem Arbeitgeber über die Freistellung von der beruflichen Tätigkeit zum Zwecke der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist im arbeitgerichtlichen Beschlussverfahren auszutragen (im Anschluss an LAG Nürnberg vom 22.10.2007 – 6 Ta 155/07 –).
Orientierungssatz
Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Schwerbehindertenvertretung
Freistellung von beruflicher Tätigkeit zum Zwecke der Teilnahme an Schulungsveranstaltung
zulässige Verfahrensart (hier bejaht: Beschlussverfahren)
Vorabentscheidung (hier: im ersten Rechtszug übergangen)
einstweilige Verfügung
Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen
Freistellung
Schulungsveranstaltung
Beschlussverfahren
Normenkette
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2, § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2, 3 S. 2; SGB IX § 96 Abs. 4 S. 3; ZPO §§ 935, 940, 940a
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Beschluss vom 23.09.2009; Aktenzeichen 1 BVGa 9/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Vertrauensperson – der Beteiligten zu 1. – gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 23.09.2009 – 1 BVGa 9/09 – wird
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in dem Beschwerdeverfahren auf den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung unverändert darüber, ob die Beteiligte zu 1. zum Zwecke der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen ist.
Die Beteiligten verbindet ein Arbeitsverhältnis, in dessen Rahmen die Beteiligte zu 1. als Redakteurin gegen eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.404,00 EUR tätig ist.
Die Beteiligte zu 1. ist Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Schwerbehindertenvertretung (fortan: Vertrauensperson) des Betriebes der Beteiligten zu 2. (künftig: Arbeitgeberin).
Die Vertrauensperson erstrebt die Befreiung von ihrer beruflichen Tätigkeit für den Zeitraum vom 05. bis 07.10.2009 zur Teilnahme an dem Grundkurs „Konfliktbewältigung durch Kommunikation” in …
Die Ausschreibung des Kurses lautet auszugsweise wie folgt:
„Zielgruppen:
Der Kurs ist vorrangig für Vertrauenspersonen der schwerbehindertenArbeitnehmer und deren stellvertretenden (sic.) Mitgliedern (sic.) vorgesehen, die ihr Gesprächsverhalten in Konfliktsituationen trainierenwollen.
Hinweise:
Neben der genauen Kenntnis gesetzlicher Grundlagen ist für die Arbeit von Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Arbeitnehmerdie Fähigkeit zu einer selbstsichern und wirkungsvollen Gesprächsführung von unschätzbarem Wert, damit sie die Aufgaben entsprechend § 95 SGB IX bestmöglich erfüllen können.
Der Kurs wird von einem erfahrenen Fachpsychologen geleitet, derals psychologischer Trainer ausgebildet ist.
Lernziel:
In diesem psychologischen Trainingsseminar ist es möglich, vorhandene Erfahrungen auszubauen und sich neue Fähigkeiten anzueignen.
Inhalte:
Folgende Fragen bilden den inhaltlichen Rahmen:
Wie gehe ich bei der Lösung eines Konfliktes im Gespräch vor?
Welche Gesprächstechniken wirken sich gesprächsfördernd aus?
Auf welche Weise kann ich meine Argumentations- und Durchsetzungsfähigkeit steigern?
Wie kann ich zur Entspannung der Gesprächssituation beitragen?
Wie kann ich mich selbstsicher verhalten?
Wie wirke ich auf meine Gesprächspartner?
Was kann ich tun, um mich partnerschaftlich und kooperativ zu verhalten?
Welche Möglichkeiten gibt es, um im Gespräch mit oft belastendennegativen Gefühlen umzugehen?
Methodik:
- Kurzvorträge mit Diskussion
- Arbeit in der Gruppe/Kleingruppe
- Rollenspiel mit Videoaufzeichnung
- Verhaltenstraining
- Kooperationsübungen
- nonverbale Übungen
Teilnehmerzahl:
maximal 12 Personen
Referent:
Herr Dr. …, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker undKommunikationstrainer aus …
…”
Mit nicht datiertem Schreiben teilte die Vertrauensperson dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin auszugsweise Folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr …,
mit Schreiben vom 03.06.2009 habe ich Ihnen mitgeteilt, dass ich als Vertrauensperson der Schwerbehinderten der … GmbH & Co. KG zur Wahrnehmung meiner Tätigkeit am 08.06.2009 sowie in der Zeit vom 05.10.2009 bis zum 07.10.2009 freizustellen bin. Entsprechend den Ihnen vorliegenden Informationen hat am 08.06.2009 bei der Fachhochschule … das Seminar ‚Ausstattung/Umgestaltung von Arbeitsplätzen für psychisch behinderte Menschen' stattgefunden. Bezogen auf dieses Seminar gehen Sie davon aus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung nicht erforderlich wäre. Ich darf darauf hinweisen, dass sich mehr als eine Kollegin bzw. ein Kollege im Zusammenhang mit einer drohenden psychischen Erkrankung an mich gewendet hat. Nach den mir vorliegenden Informationen gibt es zumindest eine Person im Unternehmen, die nach eigener Angabe von einer psychischen Erkrankung betroffen ist und einen Antrag auf Anerkennung einer seelischen Behi...