Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbstätigenfreibetrag bei der Prozesskostenhilfe. Versagung der Abzugsfähigkeit bei Arbeitsunfähigkeit und Krankengeldbezug über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hinaus
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrages gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO kommt nicht in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet und ein neues nicht begründet worden ist. Das gilt auch für den Fall, dass noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsunfähigkeit und ein Krankengeldbezug beginnen und über dessen Ende hinaus fortdauern.
2. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt der Zweck des Erwerbstätigenfreibetrages.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 Buchst. b)
Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Entscheidung vom 04.05.2016; Aktenzeichen 2 Ca 2153/15) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 04.05.2016 - 2 Ca 2153/15 - dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab 23.11.2016 keine Raten mehr auf die mit Beschluss vom 10.09.2015 bewilligte Prozesskostenhilfe zu zahlen hat.
2. Im Übrigen wird die weitergehende sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdegebühr ist auf die Hälfte zu ermäßigen.
Gründe
I.
Die gemäß den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht am 25.05.2016 eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss vom 04.05.2016 ist teilweise begründet. Der Kläger hat lediglich eine monatliche Rate in Höhe von 55,00 € bis zum 22.11.2016 zu zahlen. Für den Zeitraum ab 23.11.2016 hat der Kläger dagegen aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld keine monatlichen Raten mehr zu zahlen. Insoweit war daher der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.05.2016 entsprechend abzuändern.
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.05.2016 über die monatliche Ratenzahlungspflicht in Höhe von 55,00 € erweist sich für den Zeitraum bis zum 22.11.2016 als zutreffend und richtig.
Der Kläger verfügte über ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.077,30 €, da er in dieser Höhe ausweislich der Bescheinigung des Schreibens von ... Die Gesundheitskasse für ... und ... vom 29.02.2016 Krankengeld auf unbestimmte Zeit bezog.
Von diesem Nettoeinkommen ist ein Betrag von insgesamt 966,85 € für Freibeträge sowie die Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO absetzbar.
a) Abzuziehen vom Einkommen ist zunächst der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO in Höhe von 468,00 €, welcher dem Kläger persönlich zusteht.
b) Der auf den Kläger entfallene Anteil der Mietkosten, welcher das einzusetzende Einkommen mindert, beträgt 151,48 €.
c) Darüber hinaus waren die nachgewiesenen Versicherungsbeiträge für eine Privathaftpflichtversicherung und Rentenversicherung (= 10,25 € monatlich), die Kfz-Haftpflichtversicherung (= 60,29 € monatlich), die Hausrat- und Gebäudeversicherung in Höhe von 26,83 € sowie die besonderen Belastungen (Darlehen) in Höhe von 200,00 € nebst Bausparvertrag in Höhe von 50,00 € noch vom Einkommen des Klägers abzusetzen. Die Summe aller Beträge ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von 347,37 €, der vom Einkommen des Klägers in Höhe von 1.077,30 € abzusetzen ist.
d) Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO nicht von seinem Einkommen abgesetzt werden, weil er Krankengeld bezieht und seit dem 16.07.2015 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis steht.
aa) Nach § 44 Abs. 1 SGB V steht Versicherten bei Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlung Krankengeld zu. Im Hinblick auf den Kreis der Versicherten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V knüpft der Krankengeldanspruch prinzipiell an ein Arbeitsverhältnis und damit an eine Erwerbstätigkeit an und ist dementsprechend nach § 47 SGB V als Anteil vom regelmäßig erzielten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen berechnet. Allerdings beschränkt sich der Krankengeldanspruch nicht auf diese, mit dem Arbeitsverhältnis oder der Erwerbstätigkeit zusammenhängende Fallgestaltung. Versichert und krankengeldberechtigt können vielmehr auch Personen sein, die Arbeitslosengeld beziehen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). In diesem Fall wird das Krankengeld gemäß § 47 b SGB V der Höhe nach entsprechend dem Arbeitslosengeld berechnet. In diesem Fall hat das Krankengeld keinen Bezug zur Erwerbstätigkeit und damit zum Erwerbseinkommen (vgl. BAG, 22.04.2009, 3 AZB 90/08, Juris, Rn. 6 f.).
bb) Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet dies für die Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrages, dass Krankengeld, das anstelle von Arbeitsentgelt gezahlt und der Höhe nach als Anteil vom Arbeitsentgelt berechnet wird, als Erwerbseinkommen zu betrachten ist, während Krankengeld, das während der Arbeitslosigkeit gezahlt wird, nicht als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist. Diese Unterscheidung entspricht dem Zweck des Erwerbstätigenfreibetrages. Er soll pauschaliert die erhöhten Aufwendungen ausgleichen, die einem aktiv im Arbeitsleben stehen...