Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Beschluss vom 05.12.1996; Aktenzeichen 6 Ca 12453/96) |
Tenor
Auf die außerordentliche Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Leipzig vom 05. Dezember 1996 – 6 Ca 12453/96 –
aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur erneuten Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit an das Arbeitsgericht Leipzig
zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Mit einem am 21. Oktober 1996 beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangenen Schriftsatz machte der Kläger gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch aus einem vormals zwischen den Parteien bestandenen Arbeitsverhältnis geltend. Weiterhin verlangte der Kläger von der Beklagten die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sowie eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG.
Mit Verfügung vom 04. November 1996 teilte die Kammervorsitzende den Parteien mit, sie beabsichtige, den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Hamburg zu verweisen.
Mit einem beim Arbeitsgericht am 13. November 1996 eingegangenen Schreiben der Beklagten erklärte sich diese hiermit einverstanden.
Der Kläger widersprach mit einem am 18. November 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schreiben der Verweisung der Rechtssache an das Arbeitsgericht Hamburg und führte zur Begründung aus, die Beklagte unterhalte in L. unter der Anschrift D. S. eine Niederlassung. Dies ergebe sich aus dem Zeugnis, das dem Kläger am 28. Februar 1995 erteilt worden sei. Weiterhin machte der Kläger geltend, das Arbeitsgericht sei auch nach § 29 ZPO örtlich zuständig.
Mit Beschluß vom 05. Dezember 1996 erklärte sich das Arbeitsgericht Leipzig für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg. Bei der Urschrift dieses Verweisungsbeschlusses handelt es sich um einen von der Kammervorsitzenden verwendeten Vordruck, in welchen lediglich das Aktenzeichen, das Datum des Beschlusses, das Kurzrubrum, die mitwirkenden Richter und der Ort, an den der Rechtsstreit verwiesen wurde, nachträglich handschriftlich eingetragen wurden. Zur Begründung heißt es in dem Beschluß:
„Eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Leipzig ist nach dem Sachvortrag des Klägers nicht ersichtlich. Für die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gelten die allgemeinen Regeln gem. §§ 12 ff. ZPO. Danach ist im vorliegenden Fall das Arbeitsgericht Hamburg gem. §§ 12, 17 I ZPO zuständig. Abzustellen ist auf den Firmensitz der Beklagten. Auch der Erfüllungsort (§ 29 ZPO) begründet vorliegend keine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Leipzig. Die Regelungen des § 48 ArbGG i. V. m. Art. 8, Anl. I, Kap. VIII, Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 15 b dd des EV sind infolge des Außerkrafttretens des Gesetzes über die Errichtung und das Verfahren der Schiedsstellen für Arbeitsrecht zum 31.12.1992 nicht mehr anwendbar …”
Der Beschluß des Arbeitsgerichts wurde den Parteien formlos bekanntgemacht.
Mit einem beim Arbeitsgericht Leipzig am 20. Dezember 1996 eingegangenen Schriftsatz legte der Kläger gegen den Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 05. Dezember 1996 außerordentliche Beschwerde ein. Zur Begründung macht der Kläger geltend, der Beschluß des Arbeitsgerichts verletze den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil das Arbeitsgericht offensichtlich seine Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit nicht zur Kenntnis genommen habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die außerordentliche Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
1.
Die außerordentliche Beschwerde ist zulässig. Der Beschluß des Arbeitsgerichts ist – wie vom Kläger geltend gemacht – wegen Verletzung des Verfassungsgrundsatzes auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) greifbar rechtswidrig.
Gem. § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG ist der Beschluß des Arbeitsgerichts Leipzig vom 05. Dezember 1996 zwar an sich unanfechtbar, weil in diesem Beschluß über die örtliche Zuständigkeit entschieden wurde. In Rechtsprechung und Schrifttum ist indes anerkannt, daß eine offensichtlich gesetzeswidrige Verweisung die aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG folgende Bindungswirkung nicht entfaltet (BAG, Beschlüsse vom 01. Juli 1992 – 5 AS 4/92, 14. Januar 1994 – 5 AS 22/93 und 31. Januar 1994 – 5 AS 23/93, AP Nr. 39, 43, 44 zu § 36 ZPO; Bader, GK-ArbGG, § 48 Rz. 78; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 48 Rz. 68; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993, S. 896 f.). Gegen an sich unanfechtbare Entscheidungen ist daher ausnahmsweise die sog. außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Rechtswidrigkeit statthaft.
Greifbare Gesetzeswidrigkeit einer Entscheidung ist anzunehmen, wenn die angefochtene Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 08. Oktober 1992 – VII ZB 3/92, NJW 1993, 135, 136 mit krit. Anm. Gottwald/Semmelmayer, JZ 1993, 415 ff.). Ungeachtet der im Schrifttum geäußerten grundsätzlichen Bedenken gegen die Statthaftigkeit dieser im Gesetz nicht vorgesehenen ...