Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren für abgeschlossene Verfahren. Versagung der Prozesskostenhilfe für Entschädigungsklage wegen überlanger Dauer eines abgeschlossenen Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 gilt dieses Gesetz auch für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann.
2. Ist das Ausgangsverfahren abgeschlossen, kann es nicht mehr Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden; nach Art. 35 EMRK kann sich der Europäische Gerichtshof mit einer Beschwerde nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1; GVG § 198; EMRK Art. 35
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Aktenzeichen 6 Ca 1881/08) |
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes für eine Klage nach § 198 GVG zu bewilligen, wird
a b g e l e h n t .
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes für eine beabsichtigte Klage nach § 198 GVG, in Kraft getreten mit Wirkung zum 3. Dezember 2011 aufgrund des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I 2011, 2302).
Mit der im Ausgangsverfahren am 9. Juni 2008 beim Arbeitsgericht Dresden eingegangenen Klage (6 Ca 1881/08) machte der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und Zahlungsansprüche (Bl. 37 f. d. A.) geltend. Mit Beschluss vom 9. Juli 2010 stellte das Sächsische Landesarbeitsgericht die vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits nach § 278 Abs. 6 ZPO (Bl. 788 d. A.) fest. Das Arbeitsgericht Dresden hörte die Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 5. August 2010 über die beabsichtigte Festsetzung des Streitwertes nach § 32 RVG an. Mit Beschluss vom 31. August 2010 setzte es den Streitwert fest. Mit Schreiben vom 2. September 2010 und vom 28. Oktober 2010 nahm der Kläger dazu Stellung. Mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 half das Arbeitsgericht Dresden den als Beschwerde ausgelegten Schreiben des Klägers nicht ab und legte sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Das Sächsische Landesarbeitsgericht wies die (sofortige) Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 25. Mai 2011 (4 Ta 5/11) zurück.
Mit Beschluss vom 28. September 2011 wies es die "Gegenvorstellung" des Klägers gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Mai 2011 zurück.
Der Kläger meint, die Verfahren 6 Ca 1881/08 und 4 Ta 5/11 hätten unangemessen lange gedauert. Für den Zeitraum vom 6. Juni 2008 bis zum 28. September 2011 stehe ihm eine angemessene Entschädigung von mindestens 1.200,00 Euro je Jahr zu. Zur Verfolgung dieser Ansprüche sei ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Anwaltes zu bewilligen.
II. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen, ist abzulehnen. Die Voraussetzungen der §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor, denn die beabsichtigte Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Der Kläger hat schon deshalb nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG keinen Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen einer unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens 6 Ca 1881/08, weil das Ausgangsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift bereits abgeschlossen war und die Vorschrift deshalb nicht gilt.
Nach Artikel 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (im Folgenden Gesetz vom 24. November 2011) gilt dieses Gesetz auch für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Das Ausgangsverfahren 6 Ca 1881/08 ist abgeschlossen und kann nicht mehr Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden.
Das Ausgangsverfahren wurde aufgrund des bestandskräftigen Vergleichs vom 9. Juli 2010 abgeschlossen. Es kann deshalb nicht mehr Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden, weil eine solche Beschwerde verfristet wäre. Nach Artikel 35 EMRK kann sich der Europäische Gerichtshof mit einer Beschwerde nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen. Der Kläger hätte deshalb spätestens bis Mitte Januar 2011 (sechs Monate nach Übermittlung des Beschlusses vom 9. Juli 2010) eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Mensch...