Entscheidungsstichwort (Thema)

Wert eines Ausbildungsnachweises bzw. Nachweis- bzw. Berichtsheftes. Ausbildungsnachweises. Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streit um die Herausgabe eines Berichtsheftes in der Form eines Ausbildungsnachweises ist mit 500,00 DM angemessen bewertet.

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1, § 64 Abs. 2; ZPO § 3; BBiG § 39 Abs. 1 Nr. 2; HandwO § 36 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Aktenzeichen 1 Ca 1213/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 08. November 2000 – 1 Ca 1213/00 – wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte führt Berufung gegen ihre arbeitsgerichtliche Verurteilung, an den Kläger dessen Ausbildungsnachweisheft für den Zeitraum vom 14.09.1998 bis 21.07.1999 herauszugeben.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert auf 500,00 DM festgesetzt. Dieser Betrag sei sachgerecht, weil es sich bei dem Ausbildungsnachweisheft nicht lediglich um ein einfaches Arbeitspapier handele.

Die Berufung macht geltend, der Streitwert sei willkürlich zu niedrig festgesetzt. Das Ausbildungsheft umfasse die Zeitspanne von einem Ausbildungsjahr. In dem Heft sollten alle Aktivitäten über die Ausbildung festgehalten werden, damit es als Nachweis bei der Abschlußprüfung vorgelegt werden könne. Ohne das Nachweisheft werde eine Prüfung sehr schwer.

II.

Die Berufung ist unzulässig. Denn sie ist jedenfalls nicht statthaft.

Nach § 64 Abs. 2 ArbGG kann die Berufung nur eingelegt werden, wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 1.200,00 DM übersteigt oder in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.

Nicht eine der genannten Voraussetzungen liegt hier vor. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands nicht 1.200,00 DM. Denn diesen hat das Arbeitsgericht in einer das Berufungsgericht bindenden Höhe auf lediglich 500,00 DM festgesetzt.

Strittig war lange Zeit, ob das Berufungsgericht selbst über den Wert des Beschwerdegegenstands befindet und demgemäß an die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nach § 61 Abs. 1 ArbGG nicht gebunden sei. Zum Teil wurde eine strikte Bindung, zum Teil die völlige Unabhängigkeit des Berufungsgerichts angenommen (Einzelheiten mit Nachweis des Streitstandes Spilger, AR-Blattei 160.10.2 Rdnr. 42). Das Bundesarbeitsgericht folgt in gefestigter Rechtsprechung einem Mittelweg. Danach ist das Berufungsgericht grundsätzlich bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes an die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts gebunden. Diese Bindung besteht nur dann nicht, wenn die Streitwertfestsetzung offensichtlich unrichtig (BAG vom 27.05.1994 – 5 AZB 3/94 –, EzA § 64 ArbGG 1979 Nr. 32; zahlr. w. N. bei Spilger, a. a. O., Rdnr. 43) oder wenn der Beschwerdewert des § 64 Abs. 2 ArbGG nach anderen Kriterien als der festgesetzte Streitwert zu ermitteln ist (BAG vom 27.05.1994, a. a. O.). Als offensichtlich unrichtig bezeichnet das Bundesarbeitsgericht die Streitwertfestsetzung, wenn sie in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist und außerdem der zutreffende Streitwert auf den ersten Blick die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze übersteigt oder unterschreitet (BAG vom 11.06.1986 – 5 AZR 512/83 –, EzA § 64 ArbGG 1979 Nr. 17).

Danach ist die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht offensichtlich unrichtig. Es fehlt bereits daran, daß der zutreffende Streitwert „auf den ersten Blick” die für den Beschwerdewert maßgebliche Grenze übersteigt oder unterschreitet, weil hier Streitwert und Beschwerdewert identisch sind; es wurde zwischen den Parteien zum Schluß nur noch um das Ausbildungsnachweisheft gestritten. Auch ist die Streitwertfestsetzung „nicht in jeder Beziehung unverständlich und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen”. Es ist zwar richtig, daß nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 BBiG zur Abschlußprüfung zuzulassen ist, wer u. a. vorgeschriebene Berichtshefte geführt hat. Auch nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Handwerksordnung etwa ist zur Gesellenprüfung zuzulassen, wer u. a. vorgeschriebene Berichtshefte geführt hat. Richtig ist weiter, daß es sich bei den hier streitgegenständlichen Ausbildungsnachweisheften um Berichtshefte i. S. dieser Vorschriften handelt (vgl. Empfehlung des früheren Bundesausschusses für Berufsbildung vom 24.08.1971 betreffend das Führen von Berichtsheften in der Form von Ausbildungsnachweisen, abgedruckt beispielsweise bei Wohlgemuth/Sarge, Berufsbildungsgesetz, § 6 Rdnr. 31). Die Funktion und die wirtschaftliche Bedeutung der Arbeitsnachweise verbieten es allerdings nicht, sie gewissermaßen als besondere und nur in einem Ausbildungsverhältnis vorkommende „Arbeitspapiere” zu qualifizieren. Herkömmlich gehören zu den Arbeitspapieren beispielsweise die Lohnsteuerkarte, der Sozialversicherungsnachweis sowie Arbeits-, Entgelt- oder Urlaubsbescheinigungen. Die herrschende Meinung in ...

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