Entscheidungsstichwort (Thema)

zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde. Anspruch auf gerichtliche Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist. Untätigkeitsbeschwerde. Verweigerung verfahrensleitender Maßnahmen durch das Arbeitsgericht

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Untätigkeitsbeschwerde ist zulässig, wenn eine unzumutbare Verzögerung im Rechstreit zur Verweigerung einer nicht rechtsmittelfähigen Entscheidung führt.

 

Normenkette

ZPO § 567

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Aktenzeichen 6 Ca 3066/05)

 

Tenor

Dem Arbeitsgericht wird aufgegeben, binnen einer Frist von sechs Wochen durch eine verfahrensleitende und zugleich verfahrensfördernde Entscheidung dem vorliegenden Verfahren Fortgang zu geben.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Zahlung restlicher Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate März 2004 bis Dezember 2004 aus einem zwischen den Parteien mit Wirkung zum 01.01.2004 geschlossenen Arbeitsvertrag.

Am 19.05.2005 hat der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 14.767,26 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.05.2005 zuzüglich ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 01.02.2004 bis 17.05.2005 in Höhe von 348,14 EUR zu verurteilen. Die erste mündliche Verhandlung, in der der Beklagte u. a. die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts rügte, hat am 13.06.2005 stattgefunden.

Eine Rechtswegentscheidung des Arbeitsgerichts ist jedoch bis heute noch nicht ergangen.

Nachdem der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 20.10.2005 das Mandat niedergelegt, einen Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 RVG mit Schriftsatz vom 30.11.2005 in Höhe von 1.741,74 EUR gestellt hatte und unter dem 25.01.2006 ein klagestattgebender Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts ergangen war, der durch Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts auf die erfolglose Beschwerde des Beklagten im Ergebnis bestätigt wurde, erfolgte seitens des Arbeitsgerichts bis heute trotz mehrmaliger Anfragen des Klägervertreters nach dem Sachstand und zwar am 20.01.2006, 18.04.2006, 20.09.2006, 21.02.2007, 10.05.2007 sowie am 12.06.2007 kein Fortgang des Verfahrens.

Am 14.06.2006 erfolgte die fernmündliche Mitteilung, dass der Richter voraussichtlich bis 03.03.2006 erkrankt sei. Am 25.09.2006 erfolgte eine weitere fernmündliche Mitteilung dahingehend, dass ein Fortgang des Verfahrens andauere, da sich die Akte noch beim Sächsischen Landesarbeitsgericht befinde. Weitere Reaktionen auf die Sachstandsanfragen sind nicht erfolgt, insbesondere blieben die Sachstandsanfragen vom 21.02.2007, 10.05.2007 und 12.06.2007 unbeantwortet. Darauf wurde seitens des Klägervertreters versucht, den zuständigen Richter fernmündlich zu erreichen. Dies ist nicht gelungen, da der Richter nicht erreichbar gewesen ist.

Am 14.12.2007 hat der Kläger eine Untätigkeitsbeschwerde erhoben, weil ein sachlicher Grund für die Verfahrensverzögerung weder benannt worden noch sonst ersichtlich sei und daher ein Fall völlig unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliege.

Eine Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts liegt hier nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsbeschwerde ist gemäß §§ 567 ff ZPO zulässig. Zwar ist eine spezielle Regelung für eine Untätigkeitsbeschwerde gegenüber Gerichten noch nicht in Gesetzesform erfolgt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über Rechtsbehelfe bei Verletzungen des Rechts auf ein zügiges gerichtliches Verfahren – Untätigkeitsbeschwerdengesetz – vom 22. August 2005 (vgl. http://www.bdfr.de/Untätigkeitsbeschwerde_BMJ.bdf), der in § 198 GVG-E eine solche Untätigkeitsbeschwerde vorsieht, ist bisher noch nicht verabschiedet worden.

Ob gegen das Untätigbleiben eines Gerichts in außergewöhnlichen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen ein außerordentliches Rechtsmittel gegeben ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher offen geblieben (vgl. BGH NJW-RR 11995, 887 f). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Untätigkeitsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten überwiegend für statthaft und zulässig gehalten, wenn mit ihr eine willkürliche Untätigkeit des Gerichts geltend gemacht wird, die einer endgültigen Rechtsverweigerung gleichkommt (vgl. z. B. jüngst OLG Karlsruhe OLGR 2007, 679 = MDR 2007, 1393 m. zahlr. w. N.).

So geht das OLG Karlsruhe, Senat für Familiensachen, in seiner Entscheidung vom 03.05.2007 – 2 WF 32/07 – davon aus, dass ein derartiger Rechtsbehelf zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 13 EMRK (vgl. hierzu im Einzelnen EGMR Urt. v. 08.06.2006 – 75529/01 – Sürmeli/Deutschland NJW 2006 2389, der insoweit eine Rechtsverletzung bejaht und allein im Hinblick auf die beabsichtigte gesetzliche Regelung einen Hinweis für den staatlichen Bereich zur Befolgung des Urteils unterlässt, vgl. EGMR a. a. O., 2394) und gegen Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. insoweit BVerfG, B. v. 06.12.2004 – 1 BvR 1977/04) Rechtssuchenden bei überlanger Verfahrens...

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