Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Beschluss vom 09.03.1993; Aktenzeichen 19 Ca 7300/92) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Leipzig vom 09.03.1993 – 19 Ca 7300/92 abgeändert:
Der Streitwert wird auf DM 10.326,84 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger hat Klage erhoben mit den Anträgen:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 28.09.1992 aufgelöst wird, sondern über den 30.11.1992 hinaus unverändert fortbesteht.
- Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrer weiterzubeschäftigen.
Nach Verfahrensabschluß durch Vergleich hat das Arbeitsgericht Chemnitz den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf DM 12.108,00 festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die am 24.03.1993 vom Beteiligten zu 2. eingelegte Beschwerde, die vom Beteiligten zu 4. für begründet erachtet wird. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß eine Streitwertaddition stattzufinden habe. Der Weiterbeschäftigungsantrag bemesse sich mit einem weiteren Monatsentgelt.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 23.04.1993 der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist begründet. Es sind für den Antrag Ziff. 1 drei Monatsvergütungen (§ 12 Absatz 7 Satz 1 ArbGG) und für den Weiterbeschäftigungsantrag Ziff. 2 eine weitere Monatsvergütung (§ 3 ZPO) anzusetzen.
1.
Das Arbeitsgericht hat in seinem Nichtabhilfebeschluß vom 23.04.1993 die Auffassung vertreten, daß der Weiterbeschäftigungsantrag sich nicht streitwerterhöhend über den Streitwertrahmen des § 12 Absatz 7 Satz 1 ArbGG hinaus auswirkt. Diese verbreitete Meinung kann jedoch nicht mehr als herrschend bezeichnet werden. Die Beschwerdekammer hat mit Beschlüssen vom 14.08.1992 – 4 Ta 1/92 – und vom 30.12.1992 – 4 Ta 36/92 – die Auffassung vertreten und dort mit Hinweisen auf das Schrifttum und die Rechtssprechung der Instanzgerichte die Auffassung begründet, daß der Feststellungsantrag nach § 4 Kündigungsschutzgesetz und der Antrag auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits keine identische Ansprüche und auch keine wirtschaftliche Einheit bilden. Dieser Auffassung haben sich andere Beschwerdekammern des LAG Chemnitz angeschlossen (z. B. Beschluß vom 14.01.1993 – 2 Ta 20/92 D –; vom 18.01.1993 – 6 Ta 2/92 –). An dieser Auffassung wird festgehalten. Es muß Berücksichtigung finden, daß der gewöhnlich mit einer Kündigungsschutzklage verbundene Weiterbeschäftigungsantrag auf vorläufige tatsächliche Beschäftigung, dessen Begründetheit nach dem Beschluß des Großen Senats des BAG in AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht beurteilt werden soll, gerade auch auf den Fall abzielt, daß letztinstanzlich auf Klageabweisung erkannt wird. Wenn in einem solchen Falle nach Obsiegen des Arbeitnehmers in der 1. Instanz oder 2. Instanz es zu einer zeitweiligen Weiterbeschäftigung kommt, verbleibt dem Arbeitnehmer diese zeitweilige tatsächliche Beschäftigung als dauerhafter Rechtsgewinn, denn die Rückabwicklung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung beläßt dem Arbeitnehmer in der Regel die bezogene Vergütung, wie auch, worauf es ihm wesentlich ankommt, die tatsächliche Beschäftigung. Das stellt aus Sicht des Arbeitnehmers einen rechtlichen und tatsächlichen Teilerfolg der Klage dar, der bei einer in 1. oder 2. Instanz erfolgreichen, letztlich aber erfolglosen und auf den Antrag des § 4 Kündigungsschutzgesetz beschränkten Kündigungsfeststellungsklage nicht eintritt, weil der Arbeitgeber die Arbeitsleistung vor rechtskräftigem Verfahrensabschluß nicht annimmt.
Die Höhe des sonach anzuerkennenden Mehrwertes des Weiterbeschäftigungsantrages ist vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen (§ 3 ZPO). Das Gericht hält insoweit in Übereinstimmung mit anderen Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Chemnitz (vgl. die angeführten Beschlüsse vom 16.09.1992 und vom 14.01.1993) einen Betrag in Höhe von einem Bruttomonatseinkommen für angemessen. Dieser Betrag berücksichtigt, daß der Beschäftigungsanspruch deutlich geringere Interessen des Arbeitnehmers abdeckt als die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Beteiligten zu 2. und 4. erhalten keine Anwaltsgebühren (§ 10 Absatz 2 Satz 4 und 5 BRAGO).
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 78 Absatz 2 ArbGG).
Fundstellen