Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung Beschäftigungsanspruch. Zumutbarkeit einer 2-stündigen Fahrt zur neuen Arbeitsstelle im einstweiligen Verfügungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Streit, ob der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Tätigkeit entsprechend bestimmter „Weisungen” des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitstätigkeit zu verrichten hat, so wird es nach allgemeiner Auffassung als grundsätzlich ausreichend erachtet, wenn der Arbeitnehmer eine solche Klärung im regulären Hauptsacheverfahren des arbeitsgerichtlichen Urteilverfahrens herbeiführen kann. Von den Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit abgesehen, erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrunds für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung ein gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers. Dies kann bestehen bei erheblichen Gesundheitsverfahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens des Arbeitnehmers oder bei schweren Gewissenskonflikten.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Beschluss vom 31.07.2008; Aktenzeichen 11 Ga 39/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 31.07.2008 – 11 Ga 39/08 – wird auf ihre Kosten
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.471,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im hiesigen Verfahren darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit dem Antragsgegner fortbesteht, oder ob es zum 01.08.2008 auf den Landkreis … übergegangen ist.
Die Antragstellerin ist seit dem 01.12.1990 bei dem Antragsgegner als Angestellte im Amt für Familie und Soziales in … tätig. Ihr wurde hierfür zuletzt eine Vergütung nach der Tarifgruppe 6 des geltenden Entgelttarifvertrages in Höhe von monatlich 2.471,65 EUR gezahlt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme (vgl. § 2 des Änderungsvertrages vom 31.07.1991, Bl. 12 d. A.) die tarifvertraglichen Vorschriften des BAT-O sowie diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Im Freistaat Sachsen wurde mit dem Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.01.2008 (Sächsisches Verwaltungsneuordnungsgesetz – SächsVwNG Sächsisches GVBl. 2008, 128 ff.) bisher staatliche Aufgaben auf die kommunalen Körperschaften übertragen. Hiervon betroffen sind auch die Aufgaben der Antragstellerin.
Mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 08.07.2008 (Bl. 17 d. A.) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie von dem Übergang von Personal und Aufgaben erfasst sei, als neue Arbeitgeber der Landkreis … gemäß § 2 Abs. 2 Sächsisches Personalübergangsgesetz (SächsPÜG) bestimmt werde und als neuer Dienstort der Antragstellerin nunmehr … vorgesehen sei.
Das Schreiben enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen diesen „Bescheid” des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales innerhalb eines Monats Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden erhoben werden kann.
Die Klägerin hat dementsprechend Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden erhoben. Das Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen 11 K 1292/08 geführt. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in dieser Sache ist bisher noch nicht ergangen.
Vielmehr hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.07.2008 im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt:
- Der antragsgegnerischen Partei wird aufgegeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000,00 EUR gegen die gesetzlichen Vertreter der antragsgegnerischen Partei, die antragstellende Partei bis auf weiteres nicht mit dem Aufgabenbereich als Angestellte im öffentlichen Dienst des Landkreises …, Dienstort …, einzusetzen und tätig werden zu lassen.
- …
- Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, die Verfügungsklägerin über den 31.07.2008 hinaus als Angestellte in der Entgeltgruppe 6 des TVöD/L bis zu einer Entscheidung erster Instanz über die Wirksamkeit der Übergabeverfügung vom 08.07.2008 zu beschäftigen.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 31.07.2008 den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, dass hinsichtlich des gestellten Hauptantrages der Antragsgegner nicht passivlegitimiert sei. Bei der summarischen Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren könne nicht festgestellt werden, ob ab dem 01.08.2008 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner noch ein Arbeitsverhältnis bestehe. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis auf den Landkreis … per 01.08.2008 übergehe, habe die Antragstellerin gegen den Antragsgegner keinen Beschäftigungsanspruch nach § 611 BGB mehr. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Antragsgegner ergebe sich aus der der Antragstellerin zugestellten Übergabeverfügung vom 08.07.2008, wobei es sich hierbei ...