Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung. Beschäftigung. Überleitung eines Arbeitsverhältnisses durch Landesgesetz. Rangordnung von Landesrecht. Änderung des Arbeitsvertrags durch Verwaltungsakt. Zwangsvollstreckung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zweck der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung – insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, also auch bei Arbeitsverträgen – zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
2. Eine landesgesetzliche Beendigung eines Arbeitsverhältnisses unter Übergang auf einen anderen öffentlichen Träger ist grundsätzlich zulässig. Das Sächsische Personalübergangsgesetz hat einen solchen aber nicht angeordnet, obschon § 2 Abs. 1 SächsPÜG u. a. den Übergang der Arbeitnehmer kraft Gesetzes anordnet.
3. Ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag kann durch Verwaltungsakt nicht unmittelbar geändert werden. Es bedarf vielmehr der Umsetzung des Verwaltungsakts in das Arbeitsverhältnis. Die Parteien des Arbeitsvertrags müssen sich nach den allgemeinen Regelungen über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff. BGB) darüber einig sein, dass der bestehende Arbeitsvertrag inhaltlich geändert wird.
Normenkette
ZPO § 888 Abs. 2, §§ 935, 940; Sächsches Personalüberleitungsgesetz § 2 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; BGB§ 613a
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen 2 Ga 44/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 21.08.2008 – 2 Ga 44/08 –
- Dem Verfügungsbeklagten wird geboten, die Verfügungsklägerin weiterhin als Angestellte in der Entgeltgruppe 9 des TVöD/L zu beschäftigen, bis über deren Beschäftigungsanspruch eine arbeitsgerichtliche Hauptsacheentscheidung erster Instanz vorliegt.
- Gegen den Verfügungsbeklagten wird zur Erzwingung seiner unter Ziffer 1 dieses Urteils enthaltenen Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR festgesetzt. Ersatzweise für den Fall, dass dieses Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, werden gegen den Präsidenten des Landesamtes für Finanzen des Verfügungsbeklagten Herrn … zwei Wochen Zwangshaft verhängt.
- Die Vollstreckung von Zwangsgeld bzw. Zwangshaft gemäß Ziffer 2 dieses Urteils entfällt nur dann, wenn der Verfügungsbeklagte seiner unter Ziffer 1 dieses Urteils näher bezeichneten Verpflichtung nachkommt.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren jetzt noch darüber, ob dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Beschäftigung der Verfügungsklägerin zu gebieten ist.
Die 1971 geborene ledige Verfügungsklägerin, die keine Unterhaltspflichten hat, wurde von dem Verfügungsbeklagten seit dem 01.11.1995 in dessen Amt für Familie und Soziales … beschäftigt.
Zuletzt betrug das durchschnittliche monatliche Bruttoarbeitsentgelt der Verfügungsklägerin bei einer Beschäftigung im Umfang von 25 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers 1.938,00 EUR.
Mit Schreiben des Staatsministeriums für Soziales des Verfügungsbeklagten vom 08.07.2008 wurde der Verfügungsklägerin auszugsweise Folgendes mitgeteilt:
„…
Personalübergang auf den Kommunalen Sozialverband Sachsen im Rahmen der Verwaltungsreform Übergabeverfügung
Schreiben des Amtes für Familie und Soziales … vom 20.05.2008 und 03.07.2008
Sehr geehrte Frau …,
das Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29. Januar 2008 sieht den Übergang von Personal und Aufgaben in einem näher bestimmten Umfang vom Freistaat Sachsen auf mehrere kommunale Körperschaften zum 1. August 2008 vor. Von diesem Personalübergang werden Sie erfasst. Als Ihr neuer Arbeitgeber wurde der Kommunale Sozialverband Sachsen bestimmt (§ 2 Abs. 2 Sächsisches Personalübergangsgesetz).
Im Vorfeld hatten Sie Gelegenheit, im Rahmen einer Anhörung Stellung zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund ergeht nun an Sie folgende Übergabeverfügung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Sächsisches Personalübergangsgesetz:
Als Ihr neuer Arbeitgeber wird der Kommunale Sozialverband Sachsen festgesetzt.
Daraus ergibt sich, dass Ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. August 2008 übergeht. Zudem wird Folgendes mitgeteilt: Als Ihr Dienstort ist … vorgesehen. Zum konkreten Dienstbeginn werden Sie gesondert von kommunaler Seite informiert.
…”
Beigefügt ist dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach „gegen diesen Bescheid” … innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden erhoben werden könne.
Tatsächlich hat die Klägerin dann ab dem 01.08.2008 in … für den Kommunalen Sozialverband Sachsen (fortan: KSV) diejenigen Arbeitsaufgaben erfüllt, die sie bis zum 31.07.2008 für den Verfügungsbeklagten erbracht hatte.
Die Verfügungsklägerin ist vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien ausgegangen, weswegen der Ve...