Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilantrag des gekündigten Arbeitnehmers zur Durchsetzung des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsanspruch nach Widerspruch des Betriebsrats. Ausschluss der Selbstwiderlegung durch längeres Zuwarten bei Durchsetzung des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs im Eilverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Der betriebsverfassungsrechtliche Beschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Rechtsstreits gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG entsteht mit dem Widerspruch des Betriebsrats ohne weitere Sachprüfung; eine weitere Prüfung etwa der Tragfähigkeit der vom Betriebsrat geltend gemachten Widerspruchsgründe ist nicht erforderlich.
2. Bedarf es keiner weiteren Darlegung und Glaubhaftmachung der Voraussetzungen, die einen Verfügungsgrund im zivilprozessualen Sinne ausmachen, kann dem Verfügungskläger auch nicht entgegengehalten werden, dass und wie lange er mit seinem Verlangen zugewartet hat; eine derartige "Selbstwiderlegung" der Dringlichkeit setzt das Glaubhaftmachen des Verfügungsgrundes voraus.
3. Die Beschäftigung ist eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die ausschließlich von dem Willen der gesetzlichen Vertreter der Arbeitgeberin abhängig ist und die durch Dritte nicht vorgenommen werden kann; unter diesen Umständen kann nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder (sofort) durch Zwangshaft zur Vornahme der Handlung angehalten werden.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5 S. 1; ZPO § 888 Abs. 1 S. 1, §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 10.07.2014; Aktenzeichen 7 Ga 33/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 10.07.2014 - 7 Ga 33/14 - a b g e ä n d e r t :
1. Der Verfügungsbeklagten wird - unter Abweisung der Hilfswiderklage - geboten, den Verfügungskläger weiterhin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Schweißer/Schlosser bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungssache zwischen den Parteien (Arbeitsgericht Leipzig - 7 Ga 1102/14 - derzeit) weiter zu beschäftigen.
2. Gegen die Verfügungsbeklagte wird zur Erzwingung ihrer unter Ziff. 1) dieses Urteils genannten Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 € festgesetzt. Ersatzweise für den Fall, dass dieses Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, werden gegen den Geschäftsführer ... der Verfügungsbeklagten zwei Wochen Zwangshaft verhängt.
3. Die Vollstreckung von Zwangsgeld bzw. Zwangshaft gem. Ziff. 2) dieses Urteils entfällt nur dann, wenn die Verfügungsbeklagte ihrer unter Ziff. 1) dieses Urteils näher bezeichneten Verpflichtung nachkommt.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren auf den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung unverändert darüber, ob es der Verfügungsbeklagten zu gebieten ist, den bei ihr beschäftigten Verfügungskläger weiterhin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Schweißer/Schlosser bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungssache zwischen den Parteien (Arbeitsgericht Leipzig - 7 Ga 1102/14 - derzeit) weiter zu beschäftigen. Zudem geht es um die Hilfswiderklage der Verfügungsbeklagten des Inhalts, sie von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers nach § 102 Abs. 5 BetrVG zu entbinden.
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 69 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ArbGG, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 72 Abs. 4 ArbGG).
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Verfügungsklage ist zulässig.
a) Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung - insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, also auch bei Arbeitsverträgen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
b) Dabei sind prinzipiell ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Dies kann auch durch eidesstattliche Versicherung der Parteien oder Dritter geschehen (§ 294 Abs. 1 ZPO), wobei allerdings eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft ist (§ 294 Abs. 2 ZPO). Dort, wo Glaubhaftmachung zugelassen ist, gilt das auch für deren Widerlegung und den Nachweis von Einwendungen des Gegners (vgl. etwa Zöller/Greger ZPO § 294 Rn. 2 m. w. N.).
c) Zulässig ist insbesondere auch die Ausbringung einer einstweiligen Verfügung eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber zur Durchsetzung eines Beschäftigungsanspruchs.
d) Die Verfügungsklage ist hier ordnungsgemäß erhoben und so exakt, dass die Verfügungsbeklagte ihr Handeln darauf einstellen könnte.
e) Der Verfügungskläger hat auch einen durch einstweilige Verfügung sicherbaren Anspruch behauptet. Denn er macht...