Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit eines Verfügungsgrunds bei Weiterbeschäftigungsantrag im einstweiligen Rechtsschutz. § 102 Abs. 5 BetrVG allein keine Begründung für Eilbedürftigkeit. Geltung der §§ 935 ff. ZPO für § 102 Abs. 5 BetrVG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Zumutbarkeit des Abwartens in der Hauptsache
Leitsatz (amtlich)
Ein Weiterbeschäftigungsantrag, der sich auf § 102 Abs. 5 BetrVG stützt, ist im einstweiligen Verfahren nur begründet, wenn ein Verfügungsgrund dargelegt werden kann. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich nicht aus der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5; ZPO §§ 935, 940, 97 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 275 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 22.07.2021; Aktenzeichen 8 Ga 2/21) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 22. Juli 2021 (8 Ga 2/21) wird auf Kosten des Verfügungsklägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Verfügungskläger verlangt von der Verfügungsbeklagten, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens (Arbeitsgericht Mannheim, 12 Ca 50/21) als Senior Quality Engineer 2 im Homeoffice weiterzubeschäftigen. Er stützt seine Forderung nach Beschäftigung auf den Widerspruch des Betriebsrats gegen die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der 51 Jahre alte Verfügungskläger ist verheiratet und hat drei Kinder. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit Oktober 2011. Der Verfügungskläger, IT-Consultant, war zuletzt als Senior Quality Engineer 2 der Verfügungsbeklagten tätig und betreute Kunden (Anwender mit eigener IT-Abteilung und IT-Unternehmen für deren Kunden) bei der Einrichtung und Inbetriebnahme der von der Verfügungsbeklagten angebotenen Cloud-Infrastrukturen. Er arbeitete von zu Hause aus (Nr. 5 des Arbeitsvertrags vom 11. Dezember 2012). Zuletzt verdiente der Verfügungskläger monatlich ca. 6.500,00 Euro brutto.
Die Verfügungsbeklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Es besteht ein Betriebsrat.
Am 11. März 2021 hörte die Verfügungsbeklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an. Für den Verfügungskläger bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr. Am 17. März sandte die Vorsitzende des Betriebsrats eine E-Mail an I. P., ihre Ansprechpartnerin in der Personalabteilung, mit folgendem Wortlaut:
"im Anhang findest Du unseren Widerspruch zur beabsichtigten Kündigung von ..., wir können dem nicht zustimmen."
Im Anhang der E-Mail befand sich ein Schreiben, das wie folgt überschrieben war:
"Der Betriebsrat der Firma ...
An die Geschäftsführung
im Hause
Betr.: Widerspruch gegen die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung des Herrn ..."
Wegen des weiteren Inhalts des Widerspruchsschreibens wird auf die Anlage zum Antragsschriftsatz vom 08. Juli 2021, Prozessakte des Arbeitsgerichts, Bl. 30 f. verwiesen. Am Ende des Widerspruchsschreibens befand sich kein Name.
Die Verfügungsbeklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26. März ordentlich zum 30. Juni 2021. Der Kläger erhob fristgemäß Kündigungsschutzklage. Die Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht findet am 24. September 2021 statt.
Mit der Kündigung wurde der Verfügungskläger von seinen Arbeitspflichten unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung freigestellt. Bis zum Ende der Kündigungsfrist war er an das Intranet der Verfügungsbeklagten angeschlossen. Nach dem 30. Juni 2021 hatte er hierzu keinen Zugang mehr. Unter Verweis auf den Widerspruch des Betriebsrats forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 11. Juni 2021 auf, ihn gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG weiterzubeschäftigen. Die Verfügungsbeklagte lehnte dies mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Juni 2021 ab.
Der Antragsschriftsatz ging am 13. Juli beim Arbeitsgericht ein und wurde der Verfügungsbeklagten am 17. Juli 2021 zugestellt.
Der Verfügungskläger hat vorgetragen,
er könne gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG von der Verfügungsbeklagten verlangen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigt zu werden. Der Betriebsrat habe seinen Widerspruch auf § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG bezogen und substantiell begründet. Die Eilbedürftigkeit des Antrags müsse nicht gesondert begründet werden. Sie ergebe sich bereits aus der Wertung des § 102 Abs. 5 BetrVG.
Der Verfügungskläger hat beantragt,
die Antragsgegnerin wird verurteilt, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Mannheim zum Az. 12 Ca 50/21 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Senior Quality Engineer 2 im Homeoffice weiterzubeschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
der Antrag wird zurückgewiesen.
Sie hat eingewandt, der Verfügungskläger habe nicht begründet, weshalb sein Antrag eilbedürftig sei. Der Widerspruch des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß.
Das Arbei...