Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellungspflicht für die Aufforderung zur Erklärung über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Nachprüfungsverfahren zur Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Zustellungen im Nachprüfungsverfahren des § 120 a I 1 ZPO haben gem. § 172 I ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat.
Leitsatz (redaktionell)
Die nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog zugestellt werden.
Normenkette
ZPO § 172 Abs. 1, § 120a Abs. 1 Sätze 1, 3, § 329 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Entscheidung vom 22.01.2016; Aktenzeichen 4 Ca 4020/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers/Beschwerdeführers/Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 22.01.2016 - 4 Ca 4020/15 - hinsichtlich der Ratenzahlung
a u f g e h o b e n .
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 25.02.2015 bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Abänderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen unterbliebener Mit wirkung des Klägers im Nachprüfungsverfahren des § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO.
Dem Kläger wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 25.02.2015 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt.
Der Kläger hat nach der im automationsgestützten Verfahren formlos übersandten Aufforderung, sich über eine Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, eine entsprechende Erklärung auf dem amtlichen Vordruck gemäß § 117 Abs. 3 ZPO zu den Akten gereicht. Ein Beleg über sein angegebenes Einkommen von 673,00 € war dieser Erklärung nicht beigefügt. Eine gerichtliche Aufforderung an den Kläger zur Vorlage eines aktuellen Einkommensnachweises erfolgte nicht. Die an den Kläger formlos versandte Aufforderung des Gerichts vom 08.01.2016 verhält sich lediglich zu der Nichtmitteilung der Adressänderung des Klägers. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das Schreiben vom 08.01.2016 kommentarlos übersandt. Eine Reaktion des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten auf dieses Schreiben vom 08.01.2016 erfolgte nicht.
Daraufhin hob das Arbeitsgericht Bautzen durch Beschluss vom 22.01.2016 die bewilligte Prozesskostenhilfe auf. Der Aufhebungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.01.2016 zugestellt.
Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers vom 10.02.2016 hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 04.03.2016 nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der ursprüngliche Aufhebungsbeschluss sowie der in der Folge ergangene Nichtabhilfebeschluss sind unwirksam, weil vor Erlass des Aufhebungsbeschlusses eine ordnungsgemäße Beteiligung des Klägers im Nachprüfungsverfahren des § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht stattgefunden hat.
1. Es kann offenbleiben, ob der Beschluss des Arbeitsgerichts bereits deswegen aufzuheben ist, weil der Kläger dem Gericht zum einen die Änderung seiner Wohnanschrift nicht mitgeteilt und zum anderen das Gericht den Kläger nicht aufgefordert hat, sich zu den konkret bezeichneten Mängeln in seiner Prozesskostenhilfeerklärung zu erklären sowie einen Einkommensnachweis und sonstige bezeichnete Belege vorzulegen.
2. Denn die nach § 120 a I 3 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog zugestellt werden (ebenso LAG Hamm 05.07.2013 - 5 Ta 254/13 - Juris; 30.09.2013 - 14 Ta 160/13 - Juris; OLG Brandenburg 24.07.2007 - 10 WF 187/07 -, MDR 2007, 1391).
a) § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO sieht vor, dass eine Entscheidung, die eine Terminsbestimmung enthält oder eine Frist in Lauf setzt, zuzustellen ist. Diese Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus sowohl für Beschlüsse als auch Verfügungen, d. h. auch für Fristsetzungsverfügungen (vgl. MüKo-ZPO/Musielak, 4. Auflage 2013, § 329 Rn. 7; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Auflage 2006, § 329 Rn. 5, 28; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage 2016, § 329 Rn. 27, 44, 47). Unter "Frist" sind dabei sog. echte oder eigentliche Fristen zu verstehen (vgl. BGH 01.12.1976 - IV ZB 43/76 -, NJW 1977, 717). Solche Fristen sind alle Fristen zur Vornahme einer Parteihandlung (Handlungsfristen) oder Zwischenfristen zur Vorbereitung eines Termins. Zu unterscheiden sind zum einen gesetzte Fristen, d. h. alle Notfristen i. S. d. § 224 Abs. 1 Satz 2 ZPO sowie alle sonstigen Fristen, deren Dauer durch das Ger...