Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung einer bewilligten Prozesskostenhilfe wegen der unterbliebenen Mitwirkung im Nachprüfungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Für die ordnungsgemäße Einleitung des Nachprüfungsverfahrens des § 120a ZPO ist eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Betroffenen zwingend erforderlich, soweit eine ausdrückliche Fristsetzung zur Aufforderung der Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt. Denn dabei handelt es sich um die Bestimmung einer Handlungsfrist im Sinne des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 120a
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 06.02.2020; Aktenzeichen 6 Ca 6465/19) |
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 09.05.2023; Aktenzeichen 6 Ca 6465/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 09. Mai 2023 - 6 Ca 6465/19 - aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 06. Februar 2020 - 6 Ca 6465/19 - bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Prozesskostenhilfe wegen seiner unterbliebenen Mitwirkung im Nachprüfungsverfahren.
Dem Kläger wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06. Februar 2020 Prozesskostenhilfe für seine Klage ohne Zahlungsanordnung bewilligt.
Unter dem 10. März 2023 forderte das Arbeitsgericht den Kläger mit formlos übermitteltem Schreiben auf, eine erneute Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen bis zum 06. April 2023 zu übersenden. Das Aufforderungsschreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Bitte um Kenntnisnahme und evtl. Stellungnahme formlos übermittelt. Trotz der unter dem 11. April 2023 sowohl dem Kläger als auch seinem Prozessbevollmächtigten formlos zugesandten Erinnerung mit Fristsetzung bis zum 02. Mai 2023 erfolgte keine Reaktion des Klägers. Daraufhin hob das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung die bewilligte Prozesskostenhilfe auf. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Mai 2023 mit Empfangsbekenntnis zugestellt. Die am Montag, den 12. Juni 2023 vom Prozessbevollmächtigten für den Kläger eingelegte sofortige Beschwerde wurde nicht näher begründet, weshalb das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist unwirksam, weil vor seinem Erlass das Nachprüfungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung.
1. Die Aufforderung des Arbeitsgerichts vom 10. März 2023 an den Kläger, sich über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des amtlichen Vordrucks gemäß § 120a ZPO bis zum 06. April 2023 zu erklären, wurde seinem Prozessbevollmächtigten nicht zugestellt. Eine solche Zustellung ist für die ordnungsgemäße Einleitung des Nachprüfungsverfahren zwingend erforderlich (vgl. grundsätzlich zur Zustellung an Prozessbevollmächtigte etwa BAG, Beschluss vom 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 -, juris Rn. 10 ff.; LAG Hamm, Beschluss vom 07. Juni 2021 - 14 Ta 144/21 -, juris Rn. 7 ff.; Beschluss vom 05. Juli 2013 - 5 Ta 254/13 -, juris Rn. 8 ff.; Beschluss vom 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 -, juris Rn. 5 ff.).
a) Die nach § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gem. § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugestellt werden.
§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO sieht vor, dass eine Entscheidung, die eine Terminsbestimmung enthält oder eine Frist in Lauf setzt, zuzustellen ist. Diese Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus sowohl für Beschlüsse als auch Verfügungen, d. h. auch für Fristsetzungsverfügungen. Unter "Frist" sind dabei sog. echte oder eigentliche Fristen zu verstehen. Solche Fristen sind alle Fristen zur Vornahme einer Parteihandlung (Handlungsfristen) oder Zwischenfristen zur Vorbereitung eines Termins.
Wird die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert, handelt es sich, soweit eine ausdrückliche Fristsetzung erfolgt, um die Bestimmung einer Handlungsfrist. Nach Ablauf der Frist droht die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung.
Die Anwendung des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Fristsetzungen im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO ist geboten, obwohl dieses Verfahren nicht Teil des Erkenntnisverfahrens ist, für das die Norm grundsätzlich vorgesehen ist. Das Nachprüfungsverfahren ist Teil des gesamten Prozesskostenhilfeverfahrens. Dieses hängt eng mit dem Hau...