Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertung einer Lebensversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Verwertung einer noch nicht fälligen Lebensversicherung ist jedenfalls dann unzumutbar i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO, wenn der Rückkaufswert den Schonbetrag zuzüglich der zu zahlenden Prozesskosten nur in einem geringen Umfang übersteigt.
2. Der Einsatz einer noch nicht fälligen Lebensversicherung für die Prozesskosten stellt dann eine besondere Härte i.S.d. § 90 Abs 3 SGB XII dar, wenn der Antragsteller nur mit einer verminderten gesetzlichen Rente zu rechnen hat und somit auf eine Zusatzversorgung angewiesen ist, jedoch der Aufbau einer neuen zusätzlichen Alterssicherung wegen geminderter Chancen auf dem Arbeitsmarkt erschwert ist.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Zwickau (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 3 Ca 915/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Zwickau vom 03.05.2005 – 3 Ca 915/05 – abgeändert.
Der Klägerin wird ab 29.04.2005 zur Durchführung des mit der Klage vom 05.04.2005 eingeleiteten Verfahrens I. Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.
Ihr wird Rechtsanwalt … aus … beigeordnet.
Die Klägerin hat derzeit keine Raten auf die Prozesskosten zu zahlen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Klägerin hatte beim Arbeitsgericht Zwickau Kündigungsschutzklage verbunden mit einem Antrag auf Prozessbeschäftigung erhoben.
Mit am 29.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragt die Klägerin Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Dem Antrag fügte sie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Vordruck gemäß § 117 Abs. 2 ZPO) sowie weitere Unterlagen bei. Die am 27.04.2005 unterzeichnete Erklärung weist keinerlei Einnahmen aus (lediglich den Vermerk, dass Arbeitslosengeld noch nicht bewilligt sei), jedoch neben einigen Zahlungsverpflichtungen (hierunter insbesondere Wohnkosten in Höhe von insgesamt 614,07 EUR monatlich) Vermögen in Form eines Girokonto-Guthabens in Höhe von „ca. 400,00 EUR” und eine Lebensversicherung bei der … mit einem Gesamtrückkaufswert in Höhe von 4.281,64 EUR. Auf die Lebensversicherung sind monatliche Beiträge in Höhe von 46,07 EUR zu zahlen.
Das zugrunde liegende Verfahren endete durch Prozessvergleich vom 02.05.2005, der bei vereinbartem Widerrufsvorbehalt durch Ablauf der Widerrufsfrist am 16.05.2005 bestandskräftig wurde.
2. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.05.2005 den Antrag der Klägerin zurückgewiesen und in den Gründen u. a. ausgeführt, die Klägerin habe bei angenommenen Verfahrensgebühren in Höhe von 1.412,00 EUR den Rückkaufwert der Lebensversicherung abzüglich des Schonbetrages, verbleibend damit 1.992,60 EUR als Vermögen einzusetzen.
Im Übrigen habe die Klägerin nicht angegeben, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreitet.
3. Gegen diesen am 06.05.2005 zugestellten Beschuss richtet sich die am 11.05.2005 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin. Diese ist der Ansicht, noch nicht fällige Lebensversicherungen seien bei dem einzusetzenden Vermögen regelmäßig nicht zu berücksichtigen. Eine vorzeitige Vertragsauflösung bringe dem Versicherungsnehmer Verluste. Sie sei deshalb nicht zumutbar. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Altersversorgung noch nicht gesichert und eine niedrige Rente zu erwarten sei. So verhalte es sich hier.
Die Klägerin habe vor, ihren Lebensunterhalt vom Arbeitslosengeld zu bestreiten, welches wie angegeben beantragt sei.
4. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.05.2005 nicht abgeholfen, sondern sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Vertreter der Staatskasse beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
5. Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
a) Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint – davon ist hier nach dem Akteninhalt auszugehen –, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Maßgebend sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung, hier also am 03.05.2005. Die Verhältnisse sind gemäß § 115 ZPO zu beurteilen.
b) Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei, soweit sie nicht bereits über ein ausreichendes Einkommen im Sinne der Abs. 1 und 2 verfügt, ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Hierbei gilt § 90 des SGB XII entsprechend.
Diese Vorschrift charakterisiert die Prozesskostenhilfe als eine Form der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen. § 90 Abs. 2 SGB XII sieht Freibeträge vor, so gemäß Ziffer 9 dieser Vorschrift i. V. m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilf...