Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktiver Beförderungsanspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds. Analoge Anwendung der Grundsätze des fiktiven Beförderungsanspruchs auf Stellenbesetzungsverfahren nach betrieblicher Umstrukturierung. Kein Anspruch auf Privatnutzung des Dienstwagens wegen Benachteiligungsverbot. Kein Recht auf Auskunft über Einkommen Dritter
Leitsatz (amtlich)
Die für den fiktiven Beförderungsanspruch des freigestellten Betriebsratsmitglieds entwickelten Grundsätze (BAG, Urteil vom 20.01.2021, 7 AZR 52/20 zu II. 1 der Gründe) können auf Auswahlverfahren zur Stellenbesetzung nach betrieblicher Umstrukturierung entsprechend angewendet werden.
Normenkette
BGB §§ 242, 280 Abs. 1, § 611a Abs. 2; BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2; ZPO § 97 Abs. 1, § 256 Abs. 1, § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 12.08.2020; Aktenzeichen 4 Ca 1805/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12.08.2020, Az.: 4 Ca 1805/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erhebt als freigestelltes Betriebsratsmitglied Anspruch auf Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken, verlangt Schadensersatz wegen der Entziehung des Dienstwagens und verfolgt im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Entgeltanpassung.
Der Kläger war bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten seit 27.09.1996 als studentische Aushilfe tätig. Kraft Anstellungsvertrages mit der … GmbH & Co.KG vom 04.07.2000 setzte er seine Tätigkeit ab 01.09.2000 als „Verkaufsberater Filialbetrieb“ für …-Shops in … /Region Ost fort, wofür ein Bruttomonatsgehalt von 3.500,00 DM bezog. Am 01.10.2005 wurde er zum Filialleiter des …-Shop in … ernannt, wofür eine Bruttomonatsvergütung von 2.450,00 € vereinbart wurde. Nach einem Übergang des Bereichs „Shops“ auf die …-Shop GmbH schlossen diese und der Kläger einen am 07.03.2007/21.08.2007 unterzeichneten Arbeitsvertrag, nachdem dem Kläger als Filialleiter … ein Jahreszielgehalt von 36.633,03 € zustand, das sich aus einem fixem und einem variablen Teil zusammensetzte. Anspruch auf einen Dienstwagen und dessen Privatnutzung hatte der Kläger als Filialleiter nicht.
Im Wahljahr 2007 wurde der Kläger zum Betriebsrat gewählt. Ab 01.05.2011 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber, der inzwischen als … GmbH firmierte, für die Betriebsratstätigkeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Am 20.09.2011/11.10.2011 vereinbarten Kläger und die …-GmbH unter Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag vom 07.03.2007, der Kläger solle ab 01.05.2011 als Springer in der Region Ost tätig sein. In der mit „Vertragsänderung“ überschriebenen Vereinbarung heißt es auszugsweise:
„1. Die Vertragsänderung gilt für die Dauer ihrer (teilweisen) Freistellung, gemäß § 38 BetrVG und endet mit deren Widerruf, spätestens jedoch mit Ende der regulären Amtszeit des Betriebsrats (vgl. § 21 BetrVG) oder mit dem Erlöschen Ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat (vgl. § 24 BetrVG).
Danach erfolgt Ihr Einsatz als Filialleiter im …-Shop … zu den Konditionen des Arbeitsvertrages vom 17.03.2007. Hinsichtlich des Gehalts berücksichtigen wir Ihre zwischenzeitliche Gehaltsentwicklung abzüglich 300,00 €.
[…]
2. Als Vergütung für Ihre Tätigkeit als Springer erhalten Sie ein Jahreszielgehalt in Höhe von € 46.319,28 brutto […]
3. Die Tätigkeit nehmen Sie von Ihrem Wohnsitz (Mobile Office) aus wahr.
Hierfür wird Ihnen ein Dienstfahrzeug entsprechend der jeweilig geltenden Richtlinien im Unternehmen auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt [...]
4. Alle anderen Vertragsbestandteile bleiben unverändert und behalten ihre volle Gültigkeit.“
Daneben wurde ein „Zusatz zum Springervertrag vom 20.09.2011“ unterzeichnet, in dem es heißt:
„Bezug nehmend auf o. g. Springervertrag gelten folgende Vereinbarungen:
- - nach Beendigung des Betriebsratsmandats erhalten Sie ein Schulungsprogramm zum Gebietsverkaufsleiter (Umsetzung Ergebnis GVL-AC), Laufzeit ca. 6 – 12 Monate. Während dieses Schulungsprogramms erfolgt der Einsatz in den … Filialen zur Auffrischung der Verkaufstätigkeit und der aktuellen Systeme. Im Anschluss an das Schulungsprogramm erfolgt ein erneutes GVL-AC. Bei Eignung nach dem AC (Beurteilung mindestens B nach heutigem Maßstab) erfolgt eine Umsetzung als GVL in der Region Ost bei der ersten freien Stelle. Sollten Sie eine Umsetzung nicht wünschen, erfolgt wieder der Einsatz als Filialleiter in der … Filiale. Sollte diese Filiale nicht mehr existieren, erfolgt der Einsatz als Filialleiter in einer anderen … Filiale mit aktueller Beschäftigung.
- - Hierfür wird Ihnen ein Dienstfahrzeug entsprechend der jeweilig geltenden Richtlinien im Unternehmen auch zur angemessenen privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. (…)
- Folgender Gehaltsentwicklungsplan tritt in Kraft:
01.07.2011 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €
01.01.2012 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €
01.01.2013 Anpassung des MTL-Zieleinkommens um 400,00 €.
Dies findet unabhängig von den Reg...