Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Urteil vom 03.03.1995; Aktenzeichen 12 Ca 8605/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.04.1998; Aktenzeichen 8 AZR 335/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 03.03.1995 – 12 Ca 8605/94 – abgeändert.

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 27.10.1994, dem Kläger zugegangen am 07.11.1994, nicht aufgelöst worden ist.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsfeststellungsantrag zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Referent weiterzubeschäftigen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung vom 27.10.1994.

Der am 01.03.1952 geborene Kläger ist geschieden und einem Kinde unterhaltsverpflichtet. Er war seit 01.03.1988 als Angestellter bei der Staatlichen Umweltinspektion beim Rat des Bezirkes K.-M.-S. (Arbeitsvertrag vom 04.02.1988, Bl. 155/156 d.A.) und seit 01.02.1992 als Referent im Bereich Immissionsschutz, Referat Metall, Elektrotechnik, Kfz.-Wesen beim Staatlichen Umweltfachamt C. (siehe Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung vom 14.01.1992, Bl. 9 d.A.) tätig. Der Änderungsvertrag vom 14.01.1992 (Bl. 10 d.A.) stellte eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT-O fest. Das Monatsgehalt des Klägers betrug zuletzt DM 5.110,00 brutto.

Der Kläger ist Mitglied des Bezirkspersonalrats beim Regierungspräsidium C. und Ersatzmitglied im Personalrat des Staatlichen Umweltfachamtes C..

Die mit am 08.02.1991 ausgefüllter Erklärung gestellten Fragen nach einer Tätigkeit für das bzw. nach Kontakten zum MfS verneinte der Kläger (Bl. 37 bis 39 d.A.).

Gemäß Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vom 08.02.1994 (Bl. 47 bis 49 d.A.) wurde der Kläger in den Akten des MfS als „IMV” und „IMS” mit dem Decknamen „P.” geführt. Danach hatte der Kläger am 15.06.1978 eine Schweigeverpflichtung (Bl. 58 d.A.), am 19.01.1979 eine Verpflichtungserklärung (Bl. 50 d.A.) sowie ca. 50 handschriftliche Berichte abgegeben. Gemäß Abschlußbericht des MfS vom 01.04.1985 wurde die Zusammenarbeit wegen „Unzuverlässigkeit” beendet (Bl. 72/73 d.A.).

Der Einzelbericht wurde dem Kläger am 03.03.1994 eröffnet. Der Beklagte kündigte hierauf das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.03.1994 außerordentlich. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte vor dem Arbeitsgericht Chemnitz Erfolg, da der Beklagte die Zustimmung des Personalrats nicht eingeholt hatte.

Mit Schreiben vom 17.10.1994 (Bl. 75/76 d.A.) und vom 18.10.1994 (Bl. 77 bis 80 d.A.) ersuchte der Referatsleiter Personal und stellvertretende Leiter der Abteilung I Verwaltung, Personal, Organisation des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung Herr G. den örtlichen Personalrat und den Bezirkspersonalrat um Zustimmung zur erneuten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Diese Personalräte stimmten am 21.10.1994 bzw. am 26.10.1994 zu.

Mit Schreiben vom 18.10.1994 (Bl. 102 bis 104 d.A.) hörte Herr G. den Hauptpersonalrat beim Umweltministerium zur Absicht der außerordentlichen Kündigung an. Der HPR erhob keine Einwendungen (Vermerk vom 21.10.1994, Bl. 193 d.A.).

Hierauf kündigte das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung mit Schreiben vom 27.10.1094, dem Kläger zugegangen am 07.11.1994, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, da ein weiteres Festhalten an dem Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die frühere Tätigkeit des Klägers für das MfS und auf die wahrheitswidrige Verneinung der Fragen nach einer solchen Tätigkeit unzumutbar sei.

Hiergegen richtet sich die am 09.11.1994 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage des Klägers. Dieser hat vorgetragen, er habe die Verpflichtungserklärung unter Druck unterzeichnet, er sei nicht „für das MfS” tätig geworden, da keine aktive, eigeninitative Zusammenarbeit vorgelegen hätte, die Berichte lägen länger zurück, durch diese sei niemandem ein Schaden entstanden, er habe nur über Belanglosigkeiten berichtet. An dem Erklärungsbogen sei der Personalrat nicht beteiligt worden. Das Anhörungsverfahren gem. § 73 Abs. 6 SächsPersVG sei nicht ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt worden. Weder habe es der Dienststellenleiter eingeleitet noch sei der Personalrat genügend informiert worden.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei verstrichen. Dem Beklagten sei die „Gauck-Akte” seit Juni 1994 bekannt gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 27.10.1994, zugegangen am 07.11.1994, nicht aufgelöst worden ist,
  2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den in der Kündigung als Endtermi...

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