Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Berufungsbegründung. Unzulässige Klage bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss die Berufung für jeden von der Anfechtung betroffenen Streitgegenstand besonders gerechtfertigt werden.

2. Zwingende Prozessvoraussetzung für jede Klage ist ein allgemeines Rechtsschutzinteresse oder Rechtsschutzbedürfnis, d.h. ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des eingeklagten Rechts. Das Rechtsschutzbedürfnis kann dann fehlen, wenn eine Klage objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann.

 

Normenkette

KSchG § 4; ZPO § 256 Abs. 1, §§ 520, 322

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Entscheidung vom 17.06.2021; Aktenzeichen 4 Ca 4043/21)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 28.02.2023; Aktenzeichen 2 AZN 22/23)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 17.06.2021 – 4 Ca 4043/21 – wird als unzulässig verworfen soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags zu 2. richtet, nämlich auf Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31.08.2021 hinaus fortbesteht.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie im Wege der Eventualklage um die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Die Parteien sind seit dem 01.10.2019 durch Arbeitsvertrag verbunden. Der Kläger wurde als Leiter Qualitätsmanagement zu einem Bruttomonatsgehalt von 9.185,42 Euro beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig rund 300 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat. Mit Schreiben vom 22.02.2021, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sprach die Beklagte ihm eine Kündigung zum 31.08.2021 aus. Mit der am 05.03.2021 der Beklagten zugestellten Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Weiterhin machte der Kläger einen allgemeinen Feststellungsantrag rechtshängig. Zur Begründung führte er aus, dass dieser als selbständige Klage gewollt sei. Zwar seien keine anderen Beendigungstatbestände bekannt, es bestehe jedoch die Gefahr, dass die Beklagte im Verlauf des Verfahrens weitere Beendigungstatbestände schaffe.

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht,

dass kein Grund für die Kündigung vorliege, der geeignet sei, diese sozial zu rechtfertigen. Seine Arbeitsaufgaben seien nicht entfallen, soweit die Beklagte eine Umverteilung behaupte, sei diese nicht möglich, ohne die vorhandenen Arbeitnehmer zu überlasten. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört. Auf das weitere Vorbringen des Klägers zur Unwirksamkeit der Kündigung wird insgesamt Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.02.2021, dem Kläger zugegangen am 22.02.2021, aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31.08.2021 hinaus fortbesteht.

3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter Qualitätsmanagement Division weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich behauptet,

die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstünden. Weiterhin hat die Beklagte zur Anhörung des Betriebsrats vorgetragen. Dem Antrag zu 2. fehle es am erforderlichen Rechtschutzbedürfnis. Auf den Vortrag wird insgesamt Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme zur Betriebsratsanhörung mit Urteil vom 17.06.2021 abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die insgesamt zulässige Klage sei unbegründet. Die Kündigung sei als betriebsbedingte wirksam, der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Der allgemeine Feststellungsantrag sei ebenfalls unbegründet, da keine Tatsachen vorgetragen seien, die neben der Kündigung vom 22.02.2021 zum Streit über den Fortbestand des Vertragsverhältnisses führten. Der Weiterbeschäftigungsanspruch falle nicht zur Entscheidung an.

Gegen das dort am 30.06.2021 zugestellte Urteil hat der Klä...

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