Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkung einer Beschäftigungsgarantie bei langfristiger Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub (jetzt Elternzeit) auf Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung der Auswahl nach sozialen Kriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG geht der einem sozial stärkeren Arbeitnehmer aufgrund Dienstvereinbarung oder Individualzusage gegebene Beschäftigungsgarantie jedenfalls dann vor, wenn die Garantie die Sozialauswahl im Rahmen erwarteter Entlassungswellen steuern sollte und zur Herausnahme des sozial schwächeren Arbeitnehmers aus dem auswahlrelevanten Personenkreis führen würde.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Urteil vom 19.07.2000; Aktenzeichen 7 Ca 7162/00) |
AK Görlitz |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19. Juli 2000 – 7 Ca 7162/00 – wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Revision ist zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung. Außerdem geht es um die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die zum Zeitpunkt der Kündigung 46jährige Klägerin (Geburtstag war der …) steht in einem seit 01.09.1973 rechnenden Arbeitsverhältnis mit der beklagten Stadt.
In einem schriftlichen Änderungsvertrag der Parteien vom 06.04.1999 ist eine Beschäftigung der Klägerin im Sozial- und Erziehungsdienst abgemacht. Tätig war und ist die Klägerin als Erzieherin in einer von der Beklagten getragenen Kindertageseinrichtung.
Abgemacht ist nach dem Änderungsvertrag weiter, daß die Klägerin „gemäß § 22 BAT-O in die Vergütungsgruppe V c eingruppiert” ist. Daraus ergibt sich aufgrund einer zuletzt verabredeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.179,84 DM.
Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei volljährige Kinder. Eines davon, geboren im Jahre 1974, ist arbeitslos und wohnt zu Hause. Das andere Kind leistete bis Juli 2000 seinen Wehrdienst.
Im Monat Juli 1999 ermittelte die Beklagte den pädagogischen Personalbedarf auf der Grundlage des voraussichtlichen Bedarfes an Plätzen in ihren Kindertageseinrichtungen für den Planungszeitraum 2000/2001. Zugrunde legte sie dabei die Anzahl der in Weißwasser wohnhaften Kinder und – prognostisch – Erfahrungswerte vorangegangener Jahre betreffend die Aufnahmen in die Kindereinrichtungen und die Abgänge im laufenden Kalenderjahr durch Wegzug aus der Stadt sowie die Abgänge bei Verlassen des Kindergartens und der Grundschule. Dabei war zu berücksichtigen, daß in der Stadt fünf Einrichtungen in freier Trägerschaft vorhanden sind.
Aufgrund ständigen Bevölkerungsrückganges in der Stadt sinkt auch die für die Personalbedarfsplanung zugrunde zu legende Zahl der Kinder. Deshalb wurde es erforderlich, die Bedarfsplanung im IV. Quartal des Jahres 1999 zu überarbeiten.
Am 31.10.1999 befanden sich 669 Kinder in allen städtischen Einrichtungen. In Anwendung ihrer Grundlagen für die Bedarfsermittlung prognostizierte die Beklagte die Zahl der Kinder im Schuljahr 2000/2001 auf nur noch 593.
Unter Anwendung der für die Betreuung der Kinder in den Einrichtungen maßgebenden Schlüsselzahlen des Sächsischen Gesetzes über Kindertageseinrichtungen (vom 24.08.1996 – SäKitaG –, GVBl. S. 38) ermittelte die Beklagte für die erwartete Zahl von Kindern, getrennt nach Krippe, Kindergarten und Hort, hierbei jeweils aufgeschlüsselt nach dem jeweiligen zeitlichen Umfang der Betreuung je Zahl der Kinder, einen Bedarf von 44,576 VbE.
Zur Absicherung von Öffnungszeiten und Vertretungsbedarf wurde der ermittelte Mindestpersonalbedarf um 4,5 VbE erhöht. Hieraus ergab sich ein Personalbedarf für das folgende Schuljahr von 49,076 VbE.
Daraus wurde aus Sicht der Beklagten eine Reduzierung um 11,799 VbE erforderlich. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Teilzeitbeschäftigung allerdings ergab sich ein Personalüberhang von 15,732 Stellen.
Am 15.12.1999 beschloß der Stadtrat der Beklagten im Zuge des Erlasses der Haushaltssatzung 2000 im Stellenplan Teil B, der als Anlage dem Haushaltsplan 2000 beigefügt ist, im Unterabschnitt 4640 – Kindertagesstätten – für die Zeit ab Oktober 2000 einen kw-Vermerk für 15 Stellen nach Vergütungsgruppe V c.
Eine Aufforderung der Stadt in ihrem Amtsblatt vom 27.01.2000 an Eltern, die ab August 2000 für ihr Kind einen Platz in einer städtischen Kindertagesstätte benötigten, blieb ohne Resonanz.
Dies nahm die Beklagte zum Anlaß, den Ausspruch einer Kündigung der Klägerin gegenüber in Erwägung zu ziehen.
Im Ergebnis einer die Beschäftigungszeit, das Lebensalter sowie bestehende Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigenden Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung „Sozialauswahl” vom 07.02.2000 in der Fassung vom 29.02.2000 ermittelte die Beklagte den Kreis der danach aus ihrer Sic...