Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Zulagen auf den Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns
Leitsatz (redaktionell)
1. Gem. § 1 Abs. 1 MiLoG muss das gezahlte Arbeitsentgelt pro Zeitstunde mindestens 8,50 EUR brutto betragen, nicht jedoch der vertraglich vereinbarte Stundenlohn.
2. Vielmehr kann der Mindestlohnanspruch auch durch die Summe der Zahlung eines unter dem Mindestlohn liegenden Grundlohns zuzüglich eines arbeits- oder tarifvertraglich zu zahlenden Zuschlags erfüllt werden. Dies gilt jedoch nicht für Zuschläge für Nachtschichtarbeit, da sich die Verpflichtung hierzu aus § 6 Abs. 5 ArbZG ergibt.
Normenkette
MiLoG § 1
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen 7 Ca 1251/15) |
Tenor
1. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 09.09.2015 - 7 Ca 1251/15 - unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 389,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz aus
60,37 € ab 15.02.2015
59,82 € ab 15.03.2015
84,10 € ab 15.04.2015
59,14 € ab 15.05.2015
66,30 € ab 15.06.2015
60,18 € ab 15.07.2015
zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über die vorgenannten Beträge eine Abrechnung zu erteilen und herauszugeben.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für Nachtarbeit einen Zuschlag von 25 % zu zahlen, der auf der Basis des jeweils zum Zeitpunkt der Nachtarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG geltenden Mindestlohnes, derzeit 8,50 € brutto, zu berechnen ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 84 % und die Beklagte 16 % zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11.08.2014 (Mindestlohngesetz - MiLoG).
Die Klägerin ist seit dem 01.08.2005 auf der Grundlage eines undatierten Arbeitsvertrages (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 29.04.2015; Bl. 5 ff. d. A.) als Maschinenhelferin im Fertigungsbereich Fußboden beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist u. a. Folgendes vereinbart:
§ 3 Arbeitszeit
1. (...)
2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Schichtarbeit sowie Über- und Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten, soweit das gesetzlich zulässig ist.
§ 4 Vergütung
1. Der Arbeitnehmer erhält einen Stundenlohn in Höhe von 6,39 €.
Die Vergütung wird jeweils zum 8. Arbeitstag des Folgemonats fällig. (...)
2. Die Höhe der Überstundenzuschläge sowie sonstiger, zusätzlicher Leistungen des Arbeitgebers sind in der Anlage 2, die als Bestandteil des Arbeitsvertrags vereinbart wird, im Einzelnen aufgeführt. (...)
Anlage 2 des Arbeitsvertrages
(...)
1. Zuschläge - Überstunden
Mehrarbeit bis 2 Stunden täglich = 25 %
ab der 3. Stunde täglich = 50 %
für Arbeit an Samstagen, die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist für alle Stunden bis 12.00 Uhr = 25 %
ab 12.00 Uhr = 50 %
für Nachtschichtarbeit = 25 %
für Arbeit an Sonntagen = 50 %
für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, für die ein Lohnausfallanspruch nicht besteht sowie für Arbeit am Oster- und Pfingstsonntag und am 24. Dezember = 100 %
für Arbeit an lohnzahlungspflichtigen Feiertagen = 125 %
für Arbeit am 25./26.12. und 1.5. = 150 %
2. zusätzliches Urlaubsgeld
Urlaubsgeld wir in Höhe von 50 % des Urlaubsentgeltes gewährt.
Der Anspruch von zusätzlichem Urlaubsgeld entsteht gleichzeitig mit dem Urlaubsanspruch, erstmals nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten.
Bei Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder begründeter fristloser Kündigung, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, innerhalb des ersten Jahres der Betriebszugehörigkeit, ist das bereits gewährte Urlaubsgeld zurückzuzahlen.
3. (...)
4. Weihnachtsgratifikation
Eine Weihnachtsgratifikation wird in Höhe von 50 % gewährt.
Der Betrag ermittelt sich aus dem durchschnittlichen Verdienst (ohne Einmalbezüge) der Monate Januar bis September eines Jahres.
Die Gratifikation wird mit der Lohnzahlung November fällig.
Arbeitnehmer, die der Firma am 1.12. eines Jahres weniger als 4 Monate angehören, haben keinen Anspruch.
Arbeitnehmer, die der Firma am 1.12.eines Jahres weniger als 12 Monate angehören, erhalten eine anteilige Gratifikation.
Beim Ausscheiden innerhalb von 4 Monaten nach Zahlung der Gratifikation, aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegt, ist der Betrag zurückzuzahlen. Das gleiche gilt bei Kündigung durch den Arbeitnehmer.
Im Dezember 2014 betrug der vertragliche Stundenlohn der Klägerin 7,25 € brutto.
Für die Monate Januar bis Juni 2015 erteilte die Beklagte Abrechnungen wie folgt:
Januar 2015 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 29.04.2015; Bl. 10 d. A.)
Bezeichnung |
Menge |
Lohnsatz |
Faktor |
Betrag 2015 |
Betrag |
Normalstunden |
64,00 Std |
7,25 |
|
|
464,00 |
Urlaubsstunden |
16,00 Std |
10,29 |
|
|
164,64 |
Differenzauszahlung Urlaubsgeld |
16,00 Std |
3,04 |
50 % |
|
24,32 |
Nachtstunden |
40,00 Std |
7,25 |
|
|
290,00 |
Nac... |