Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Zielsetzung des Vorbeschäftigungsverbots. Verfassungskonforme Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots. Lange zurückliegende Zeit der Vorbeschäftigung. "Ganz anders geartete" Vorbeschäftigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

2. Die Beschäftigten bedürfen des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes, weil sonst eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und auch eine Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht.

3. Nach verfassungskonformer Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gilt das Vorbeschäftigungsverbot nicht, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

4. Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Beschäftigten lag seine Vorbeschäftigung vor fünf Jahren nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsrechtlich geboten wäre. Das Bundesarbeitsgericht hat Zeitabläufe von acht Jahren sowie von 22 Jahren beurteilt.

5. Das Vorbeschäftigungsverbot gilt nicht bei einer "ganz anders gearteten Tätigkeit". Die Beurteilung der Zumutbarkeit des Vorbeschäftigungsverbots bei einer "ganz anders gearteten" Tätigkeit erfordert eine Beurteilung der der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers zugrunde liegenden Tätigkeit aufgrund von Umständen, die zwischen den beiden Beschäftigungen stattgefunden haben wie z.B. eine zwischenzeitlich erfolgte Weiterbildung.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1; TV-L EG 10; TV-L EG 13

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 13.11.2018; Aktenzeichen 9 Ca 1541/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.09.2020; Aktenzeichen 7 AZR 552/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 13.11.2018 - 9 Ca 1541/18 - wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der zum 31.05.2017 vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrages. Der Kläger beansprucht außerdem, zu unveränderten Bedingungen als Referent im ..., Referat 54 Betriebssicherheit, Abteilung Arbeitsschutz oder zu vergleichbaren Bedingungen weiterbeschäftigt zu werden.

Der am ...1962 geborene Kläger war beim Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 22.05.2015 (Bl. 11 ff. d. A.) vom 01.06.2015 bis zum 31.05.2017 befristet angestellt. Ab Januar 2017 verdiente der Kläger durchschnittlich 3.842,80 € brutto monatlich. Die Vergütung erfolgte nach der Entgeltgruppe 13 TV-L.

Bereits zuvor vereinbarten die Parteien mit Arbeitsvertrag vom 14.04.2008 (Bl. 8 ff. d. A.) ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 14.04.2008 bis 13.04.2010. Der Kläger war beim ... (...) als Sachbearbeiter zur Vorbereitung und Durchführung von Bauverträgen bezüglich der Erfassung der Anforderungen in der technischen Gebäudeausrüstung und Umsetzung bei Bauvorhaben und Instandhaltung beschäftigt. Der Kläger wurde nach der Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet. Dem Kläger waren auf dem Gebiet der Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik verschiedene Aufgaben übertragen (Bl. 130 d. A.).

Der Kläger absolvierte 1988 ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung.

Der Kläger absolvierte in der Folge berufsbegleitend ein Studium an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie. Das Studium begann am 13.10.2008 (Bl. 132 d. A.), damit während seiner ersten befristeten Anstellung beim Beklagten, und endete mit der Erlangung des Titels "Verwaltungs-Betriebswirt (VwA)" am 24.09.2011 (Bl. 131 d. A.).

Von September 2011 bis Januar 2015 war der Kläger als Objektleiter Gebäudemanagement bei einem Privatunternehmen tätig.

Am 05.03.2015 bewarb sich der Kläger um die Stelle eines Referenten im Referat 54 "Betriebssicherheit" bei der ... Der ausgeschriebenen Stelle lag eine Tätigkeitsbeschreibung zugrunde (Auszug: Bl. 135 ff. d. A.).

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass die Befristungsabrede vom 22.05.2015 unwirksam sei. Die Befristungsabrede verstoße gegen das Vorbeschäftigungsverbot.

Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Klageanträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 22.05.2015 nicht zum Ablauf des 31.05.2017 geendet hat.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.05.2017 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Referent im ..., Referat 54 Betriebssicherheit, Abteilung Arbeitsschutz oder zu vergleichbaren Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass die vereinbart...

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