Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechsel der Steuerklasse. Steuerklassenwechsel und Vorruhestand. Überbrückungsgeld. Rechtsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Wechsel der Steuerklasse, der kurz vor Eintritt in den Vorruhestand vorgenommen wird und nicht zum Zweck der Anpassung der Steuerklassen an die Einkommensverhältnisse der Eheleute erfolgt, sondern ausschließlich dem Zweck dient, die Berechnungsgrundlage für die vom Arbeitnehmer beanspruchte Überbrückungsbeihilfe zu erhöhen, ist rechtsmissbräuchlich.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 23.01.2001; Aktenzeichen 14 Ca 5149/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.09.2003; Aktenzeichen 9 AZR 605/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 23.01.2001 – 14 Ca 5149/00 –

a b g e ä n d e r t :

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ab März 1999 eine Überbrückungsbeihilfe zu zahlen, die bei ihrer Berechnung einen vom Kläger zuvor veranlassten Steuerklassenwechsel berücksichtigt.

Der 1944 geborene Kläger, der verheiratet ist, war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Gleisbauer beschäftigt. Er war zuletzt in der Entgeltgruppe E 7 eingruppiert und erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.832,00 DM brutto.

Mit dem Aufhebungsvertrag vom 22.12.1997 (Bl. 8 ff. d. A.) vereinbarten die Parteien u. a. folgende Regelungen:

„1.

Die Vertragsparteien vereinbaren gemäß des Vorruhestandstarifvertrages der … (VorruheTV) in der Fassung vom 01.09.1996 und den ihn ergänzenden oder ändernden Änderungstarifverträgen einvernehmlich aus betriebsbedingten Gründen die Aufhebung des bestehenden Arbeitsvertrages, zuletzt geändert zum 24.09.1993 mit Ablauf des 28.02.1999.

3.

Herrn … wird eine Überbrückungsbeihilfe gemäß des Vorruhestandstarifvertrages für Arbeitnehmer der … in der Fassung vom 01.09.1996 gewährt. Als Überbrückungsbeihilfe wird vom ersten Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses längstens bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer gesetzlichen Rente wegen Alters bzw. der Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente) die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe bzw. anderen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gezahlter Entgeltersatzleistungen und 85 v. H. des Nettomonatsgehalts gem. § 7 Abs. 1 Buchst. a) VorruheTV gezahlt.

…”

Bis Ende 1998 wurde der Lohn des Klägers nach der Steuerklasse IV abgerechnet. Mit Wirkung zum 01.01.1999 wechselten der Kläger und seine Ehefrau in die Steuerklassenkombination III/V.

Die Beklagte erließ zum 01.01.1999 einen sog. Anwenderhinweis Nr. 1 zu § 7 Abs. 1 VorruheTV mit folgendem Inhalt:

„Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte

Eine Änderung der Steuerklasse und/oder Freibeträge durch den Arbeitnehmer im Zeitraum von 12 Monaten vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wird bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nicht berücksichtigt, es sei denn, der Arbeitnehmer weist ein berechtigtes Interesse an der von ihm gewählten Steuerklassenwahl und/oder Freibeträgen nach.

…”

Die Beklagte bezahlte ab 01.03.1999 an den Kläger Überbrückungsbeihilfe, die sie auf der Grundlage der Steuerklasse III errechnete. Die so berechneten Zahlungen erfolgten bis Juli 1999. Mit Schreiben vom 12.08.1999 berechnete die Beklagte die Überbrückungsbeihilfe ab 01.03.1999 neu, nun auf der Grundlage der Steuerklasse IV. Für den Zeitraum von März bis Juli 1999 errechnete die Beklagte eine monatliche Überzahlung in Höhe von 266,17 DM netto, insgesamt in Höhe von 1.330,85 DM netto. Seit September 1999 behielt die Beklagte deswegen monatlich 50,00 DM, bis Juni 2000 insgesamt 500,00 DM ein.

Die Ehefrau des Klägers erzielt seit 01.01.1992 kein Arbeitseinkommen. Bis 31.12.1998 bezog sie verschiedenartige Lohnersatzleistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit. Mit Bescheid vom 12.01.1999 wurde der Ehefrau des Klägers zunächst Arbeitslosenhilfe bewilligt. In Kenntnis des Steuerklassenwechsels verneinte die Bundesanstalt die Bedürftigkeit nachträglich und hob den vorangegangenen Bescheid wieder auf.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er Überbrückungsbeihilfe auf der Grundlage einer Steuerklasse III beanspruchen könne. Der Anwenderhinweis sei nicht Bestandteil des Vorruhestandstarifvertrages geworden. Der Steuerklassenwechsel sei aufgrund eines besonderen Interesses erfolgt. Er sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die geänderten Steuerklassen entsprächen den Einkommen des Klägers sowie seiner Ehefrau zueinander. Sie führten zu einer geringeren Steuerbelastung der Ehepartner. Bis August 1999 betrage die Überbrückungsbeihilfe 2.236,67 DM netto, von September bis Dezember 1999 2.283,03 DM netto und von Januar bis Juni 2000 2.260,33 DM netto.

Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Klaganträge gestellt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an d...

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