Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelnde Bestimmtheit des Klageantrags. Kein Vertrag bei fehlenden übereinstimmenden Willenserklärungen. Gesamtzusage als arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
1. Allein die Wiederholung des Wortlauts des Art. 15 Abs. 1 DSGVO als Klageantrag genügt nicht dem Bestimmtheitsgebot des Klageantrags. Denn der Kläger begehrt damit gerichtlich die unbeschränkte Beauskunftung aus seinem gesetzlichen Auskunftsrecht. Dies ist für ein Gericht mangels Bestimmbarkeit des Auskunftsgegenstands nicht justiziabel.
2. Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen (§ 154 Satz 1 BGB).
3. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i. S. v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet, und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagte Leistung, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an.
Normenkette
VO (EU) 2016/679 Art. 15 Abs. 1; BGB § 311 Abs. 1, § 145; VO (EU) 2016/679 Art. 4 Nr. 1 Hs. 1, Art. 15 Abs. 3 S. 1; DSGVO Art. 12 Abs. 5 S. 2 Buchst. b), Art. 15; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ArbZG § 21a Abs. 7 S. 3; BGB § 151 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 22.01.2020; Aktenzeichen 10 Ca 1523/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.01.2020 – 10 Ca 1523/19 – wird auf Kosten des Klägers mit der feststellenden Maßgabe
z u r ü c k g e w i e s e n ,
dass der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit erledigt ist, als der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 26.914,79 € brutto (18.170,00 € brutto im ersten Rechtszug und 8.744,79 € brutto im zweiten Rechtszug) an ihn zu beantragen angekündigt hatte.
Revision ist nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten weiter um Boni, Auskunftsrecht, Urlaubsabgeltung sowie Arbeitsvergütung für Wochenendarbeit.
Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes im ersten Rechtszug wird hier aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des Ausgangsurteils des vom Kläger angegangenen Arbeitsgerichts Dresden vom 22.01.2020 – 10 Ca 1523/19 – Bezug genommen.
Zum einen ist sowohl nach Aktenlage wie nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens das auch zweitinstanzlich relevante Vorbringen beider Parteien in jenem Tatbestand vollständig und im Übrigen richtig beurkundet. Zudem sind keine Tatbestandsrügen erhoben.
Zu ergänzen ist hinsichtlich des verfolgten Auskunftsrechts Folgendes:
Mit Schreiben der späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.05.2019 an die Beklagte heißt es unter "Überstunden":
"Gemäß § 3 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages sind fünf Überstunden pro Woche mit der Grundvergütung abgegolten. die darüberhinausgehenden Überstunden werden nach Wahl des Arbeitgebers entweder durch Freizeit oder durch anteilige Vergütung abgegolten. Nach unserer Kenntnis erhielt unser Mandant bislang eine teilweise Überstundenvergütung nur für den Zeitraum von September 2018 bis November 2018. Abgegolten wurden lediglich solche Überstunden, die mit der Einführung des neuen ERP-Systems im Zusammenhang standen.
Die verbleibenden Überstundenansprüche sind daher noch offen.
...
Wir möchten Sie daher an dieser Stelle gemäß Artikel 15 DSVGO auffordern, uns mitzuteilen, welche personenbezogenen Daten bei Ihnen in Bezug auf die Arbeitszeit unseres Mandanten gespeichert sind und uns eine Kopie der Daten zu übermitteln. Von unseren Auskunftsbegehren sind auch Daten umfasst, aus denen sich mittelbar die Arbeitszeit unseres Mandanten ergibt.
..."
In dem Antwortschreiben des späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.06.2019 heißt es:
"In Ihrem Schreiben vom 17.5.2019 haben Sie meine Mandantin unter Bezugnahme auf Art. 15 DSGVO aufgefordert, mitzuteilen, welche personenbezogenen Daten bei meiner Mandantin in Bezug auf die Arbeitszeit des Herrn ... gespeichert seien. Darüber hinaus haben Sie meine Mandantin aufgefordert, Ihnen eine Kopie der Daten zu übermitteln. Im Rahmen des zwischen uns geführten Telefongespräches haben Sie hierzu erklärt, unsere Mandantin möge nicht den Aufwand unterschätzen, den die Erfüllung des Auskunftsanspruchs im Hinblick auf 'die E-Mails' Ihres Mandant...