Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen 18 Ca 4111/92) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin vom 10.05.1993 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 16.12.1992 – AZ 18 Ca 4111/92 –
abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 11.05.1992 nicht beendet wurde.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung und die Verpflichtung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Die am 05.07.1949 geborene Klägerin ist seit 1972 als Lehrerin für Russisch und Geschichte im Schuldienst bei einem Bruttomonatseinkommen von zuletzt DM 3.700,– tätig.
Die Klägerin war von 1975 bis 1982 ehrenamtliche Parteisekretärin an der …-M.-Oberschule in G.. 1981 hat die Klägerin einen halbjährigen Kurs am Institut für Leitung und Organisation in P. besucht. Von 1983 bis 1985 war die Klägerin Direktorin an der Oberschule B.. Nach Zusammenlegung mit der Oberschule W. war diese bis 1990 Direktorin an der Oberschule W. Von 1983 bis 1988 war die Klägerin zugleich Mitglied der Schulparteileitung. Im September bis Dezember 1974 hat die Klägerin die Kreisparteischule der SED besucht.
1990 hatte sich die Klägerin erneut für den Posten eines Direktors beworben. Bei zwei Schulkonferenzen der Lehrer und des Elternbeirats hatten sich diese mit einem Verhältnis von 11: 1 dafür ausgesprochen, daß die Klägerin weiterhin Direktorin sein sollte. Den Posten hat die Klägerin jedoch nicht angetreten.
Am 17.02.1992 ist dem Bezirkspersonalrat ein Doppel eines Schreibens an die Klägerin vom 31.01.1992 übersandt worden. In diesem wurde der Klägerin mitgeteilt, daß im Hinblick auf die Funktion als Parteisekretärin von 1975 bis 1982 beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1992 zu kündigen. Der Termin zur Anhörung der Klägerin fand am 12.03.1992 statt. Streitig ist, ob die Anhörung des Bezirkspersonalrates ordnungsgemäß erfolgt ist.
Mit Schreiben vom 11.05.1992 hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung ordentlich gekündigt. Hiergegen hat die Klägerin mit am 19.05.1992 eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, die von dem Beklagten dargelegten Funktionen seien nicht ausreichend, um auf eine mangelnde persönliche Eignung zu schließen. Ein konkretes Fehlverhalten sei nicht gegeben. Im übrigen werde die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bestritten.
Die Klägerin hat beantragt:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 11.05.1992 nicht zum 31.07.1992 beendet wurde.
- Ferner wird beantragt, für den Fall, daß die Klägerin mit dem Feststellungsantrag obsiegt, den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich aus ihrer individuellen beruflichen Lebensgeschichte. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Funktionen in der ehemaligen DDR eine herausgehobene Stellung innegehabt. Die Gesamtschau der Tätigkeiten und Funktionen offenbare, daß sie sich mit den einseitig politisch-ideologischen Ausrichtungen der Bildungsziele der SED in hohem Maße identifiziert habe. Der Bezirkspersonalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
Nach erfolgter Anhörung der Klägerin am 12.03.1992 seien dem Vorsitzenden des Bezirkspersonalrates vom bevollmächtigten Vertreter des Oberschulamtes, Herrn L., die Kündigungsgründe, sämtliche Sozialdaten und Funktionen zu DDR-Zeiten, Ausbildung und Dauer der Tätigkeit im Schuldienst und alle weiteren kündigungsrelevanten Daten am 30.03.1992 mündlich mitgeteilt worden. Eine Abschrift des Anhörungsprotokolls und ein Entwurf des Kündigungsschreibens seien überreicht worden. Am 15.04.1992 seien die Kündigungsgründe und die Sach- und Rechtslage von Herrn L. mit dem Bezirkspersonalrat umfassend erörtert worden. Unstreitig ist, daß Herr L. mit Einverständnis des Personalrats vom Präsidenten des Oberschulamtes D. bevollmächtigt worden ist, den Präsidenten im Rahmen der personalrechtlichen Beteiligung zu vertreten.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils (Bl. 64–66 d. A.) und die dort in Bezug genommenen Schriftsätze verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber begründet. Die Klägerin habe als Parteisekretärin, als Mitglied der Schulparteileitung sowie als Direktorin Werte und Normen des SED-Staates im SED-gelenkten Bildungssystem vertreten und sich damit identifiziert. Die Klägerin habe nicht dargelegt, da...