Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug beim Betriebsübergang

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug setzt ein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611a Abs. 2 BGB knüpft an die gem. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeit an. In Annahmeverzug kann ein Arbeitgeber daher nur dann geraten, wenn zum Zeitpunkt des Angebots der Arbeitsleistung ein erfüllbares Arbeitsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Arbeitnehmer berechtigt ist, die Arbeitsleistung zu erbringen und es dem Arbeitgeber obliegt, die Arbeitsleistung anzunehmen. Im Falle des Betriebsübergangs liegt kein erfüllbares Arbeitsverhältnis zwischen Betriebsveräußerer und bisherigem Arbeitnehmer mehr vor, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Widerspruch gegen den Betriebsübergang eingelegt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 293, 611a Abs. 2, § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1, § 615 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 20.03.2019; Aktenzeichen 7 Ca 2182/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.10.2020; Aktenzeichen 5 AZR 712/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 20.03.2019 - 7 Ca 2182/18 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 18. bis 29.06.2018 Vergütung zu zahlen.

Der Kläger war seit dem 01.04.2017 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 23.03.2017 (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 26.09.2018; Bl. 6 ff. d. A.) als kaufmännischer Leiter bei der ... GmbH (im Folgenden = Schuldnerin) zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 8.000,00 €, zahlbar zum jeweils 20. des Folgemonats, beschäftigt. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.03.2018 zum 30.06.2018.

Nachdem sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Gehälter für Februar und März 2018 im Rückstand befand, erklärte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2018 (Anlage K 4 zur Klageschrift vom 26.09.2018; Bl. 15/16 d. A.) gegenüber der Schuldnerin, dass er ab sofort hinsichtlich seiner Arbeitsleistung von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 09.04.2018 - 533 IN 451/18 - wurde der Beklagte zum vorläufigen Sachwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. In der Folge informierte er den Kläger zusammen mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin mit Schreiben vom 24.05.2018 (Anlage K 6 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.01.2019; Bl. 53 ff. d. A.) darüber, dass das Unternehmen der Schuldnerin zum 01.06.2018 an die ... GmbH veräußert werde und sämtliche Mitarbeiter ab diesem Datum durch letztgenannte beschäftigt würden; es handele sich um einen Betriebsübergang (§ 613 a BGB), von dem auch das Arbeitsverhältnis des Klägers erfasst sei. Weiter wird in dem Schreiben u. a. Folgendes ausgeführt:

"Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Unterrichtung schriftlich zu widersprechen. (...)

Sollten Sie sich entschließen, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, ginge Ihr Arbeitsverhältnis nicht automatisch auf die Übernahmegesellschaft über, sondern bestünde mit der oben genannten Schuldnerin fort. Da deren Geschäftsbetrieb vollumfänglich eingestellt wird, fällt damit Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei der oben genannten Schuldnerin weg und Ihr Arbeitsverhältnis müsste betriebsbedingt gekündigt werden."

Mit Beschluss vom 01.06.2018 - 533 IN 451/18 - eröffnete das Amtsgericht Dresden das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Der Kläger nahm am 01.06.2018 Urlaub, vom 04. bis 15.06.2018 war er arbeitsunfähig krank. In der Zeit vom 18. bis 29.06.2018 erbrachte der Kläger keine Arbeitsleistungen. Er zeigte seine Genesung nicht an und bot weder gegenüber der Betriebserwerberin noch gegenüber dem Beklagten seine Arbeitsleistung an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.06.2018 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 08.03.2019; Bl. 60 d. A.), welches am selben Tag beim Beklagten einging, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin. In der Folge rechnete der Beklagte gegenüber dem Kläger Entgelt für den 01.06. und die Zeit vom 04. bis 15.06.2018 in Gesamthöhe von 4.190,48 € brutto ab und zahlte die Vergütung an den Kläger aus. Für die Zeit vom 18. bis 29.06.2018 nahm der Beklagte vom Monatsgehalt des Klägers einen "Abzug" in Höhe von 3.809,52 € brutto "wegen Fehlzeit" vor (vgl. Abrechnung für Juni 2018 in Anlage K 3 zur Klageschrift vom 26.09.2018; Bl. 14 d. A.).

Mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Dresden hat der Kläger u.a. die restliche Vergütung für den Monat Juni 2018 in Höhe von 3.809,52 € brutto geltend gemacht. Insoweit hat er die Ansicht vertreten, der Beklagte habe sich in der Z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge