Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Versorgungszusage. Einstandspflicht des Arbeitgebers für Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer. Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Haben die Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag lediglich vereinbart, dass der Arbeitgeber eine unverfallbare Anwartschaft gewährt und dass die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt werden soll, liegt darin zugleich die Abrede, dass für den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Betriebsrente die jeweils gültige Satzung und die jeweils gültigen Leistungsbedingungen der Pensionskasse maßgeblich sein sollen.

2. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG trifft den Arbeitgeber uneingeschränkt auch dann, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird. Von dieser Einstandspflicht kann sich der Arbeitgeber auch nicht durch vertragliche Abreden zu Lasten des Arbeitnehmers befreien (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen nach den gleichen Grundsätzen, die für die Tarifauslegung maßgeblich sind. Auszugehen ist somit zunächst vom Wortlaut der Regelungen. Dabei ist deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber (hier der Mitglieder der „Ständigen Arbeitsrechtlichen Kommission“) und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mitzuberücksichtigen, soweit sie in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Gesamtzusammenhang ist abzustellen.

 

Normenkette

BetrAVG § 1; GG Art. 12; BetrAVG § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 3; GG Art. 2 Abs. 1; BetrAVG § 17 Abs. 3 S. 3; BGB §§ 133, 157; Selbsthilfe Zusatzrentenkasse der Caritas VVaG § 19 Abs. 5; Selbsthilfe Zusatzrentenkasse der Caritas VVaG § 22 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 20.10.2020; Aktenzeichen 9 Ca 546/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.03.2023; Aktenzeichen 3 AZR 197/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 20.10.2020 - 9 Ca 546/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung.

Die Klägerin war mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit 11.07.1970 aufgrund zweier Betriebsübergänge bei der Beklagten beschäftigt. Anlässlich des ersten Betriebsübergangs zum 01.01.1998 auf den "Caritas Sozialwerk im Bistum Dresden-Meißen e.V." schloss letzterer mit der Klägerin einen "Dienstvertrag". Dieser regelt in § 2 Satz 1, dass für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung gelten. Außerdem enthält der Dienstvertrag einen § 5 wie folgt:

"Die Zusatzversorgung der Mitarbeiterin regelt sich nach Anlage 8 zu den AVR."

Auf den weiteren Inhalt des Dienstvertrages (vorgelegt als Anlage K1, Bl. 4 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Anlage 8 zu den AVR beinhaltet u.a. die Versorgungsordnung B (im weiteren VersO B). Diese lautete zum Zeitpunkt des Abschlusses des hier fraglichen Dienstvertrages - soweit hier von Bedeutung - auszugsweise wie folgt:

"Versorgungsordnung B (VersO B)

Die "Ständige Arbeitsrechtliche Kommission" hat am 15. Oktober 1965 die nachstehende Versorgungsordnung für die Mitarbeiter im Geltungsbereich der AVR beschlossen und mit Wirkung vom 01. April 1966 in Kraft gesetzt. Diese bezweckt eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung für Mitarbeiter durch Entrichtung von Versicherungsbeiträgen.

...

§ 2 Versicherung

Die Zusatzversorgung erfolgt durch Abschluss einer Zusatzrentenversicherung bei der "Selbsthilfe Zusatzrentenkasse der Deutschen Caritas VVaG" (Selbsthilfe) nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung. Die Ansprüche der Versicherten bestimmen sich nach der Satzung der Selbsthilfe.

...

§ 4 Beiträge

(1) Die Beiträge zur Zusatzversorgung trägt der Dienstgeber. Er trägt desweiteren die auf die Beiträge entfallende Lohnsteuer, solange die rechtliche Möglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer gegeben ist. ...

§ 8 Schlussbestimmungen

Soweit Dienstgeber vor Inkrafttreten dieser Versorgungsordnung B für ihre Mitarbeiter gleichwertige Maßnahmen zur Alterssicherung getroffen haben, werden diese als Ersatzregelung durch die "Arbeitsrechtliche Kommission" auf Antrag dann anerkannt, wenn die Gleichwertigkeit nachgewiesen wird. Sofern Gleichwertigkeit nicht vorliegt, ist der Differenzanspruch zu ermitteln und durch eine Zusatzrente nach Maßgabe der Versorgungsordnung B zu decken. Die vorstehende Versorgungsordnung ist unter Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben auszulegen und veränderten Verhältnissen in diesem Sinn anzupassen."

Auf die Anlage K8, hier die VersO B (ab Bl. 51 d.A.), wird ergänzend Bezug genommen.

Die Satzung der "Selbsthilfe Zusatzrentenkass...

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