Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 06.06.1994; Aktenzeichen 18 Ca 9713/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.07.1997; Aktenzeichen 8 AZR 737/95)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 06.06.1994 – 18 Ca 9713/92 – teilweise abgeändert.

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung mit Schreiben des Beklagten vom 27.10.1992 aufgelöst worden ist.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Professor für Theoretische Physik an der Technischen Universität Dresden weiterzubeschäftigen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer auf die Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 4 Nr. 1 2. Alternative zum Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 4 EV) gestützten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Staatssekretärs beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vom 27.10.1992.

Der am 03.08.1938 geborene Kläger ist seit 01.10.1962 an der Technischen Universität, Institut für Theoretische Physik, beschäftigt, zunächst als wissenschaftlicher Assistent, und ab 1968 als wissenschaftlicher Oberassistent. Am 01.06.1970 wurde der Kläger zum Hochschuldozenten und am 01.09.1986 zum außerordentlichen Professor an der TU D. (siehe Bl. 15 d.A.) berufen. Von 1970 bis 1974 war der Kläger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Laboratorium für Theoretische Physik des Kernforschungsinstituts in D./U..

In der Zeit vom 01.03.1990 bis 31.12.1990 übte der Kläger die Funktion eines Direktors der Sektion Physik an der TU D. aus (siehe Bl. 31/32 d.A.). Am 18.12.1990 war der Kläger zum Sprecher der Abteilung Physik gewählt worden. Nach Kritik an seiner Arbeit als Sektionsdirektor erklärte er am 04.03.1991 seinen Rücktritt (siehe Erklärung vom 05.03.1991, Bl. 82 d.A.).

Mit Änderungsvertrag vom 02.09.1991 (Bl. 12 d.A.) vereinbarten die Parteien die Anwendbarkeit des BAT-O und stellten eine Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe I b fest. Der Monatsverdienst des Klägers betrug auf dieser Grundlage zuletzt DM 5.313,18 brutto.

Der Kläger war Mitglied der SED. Während seines Physikstudiums in der Fachrichtung Kernphysik war der Kläger von 1960 bis 1961 studentisches Mitglied der Universitätsparteileitung der SED an der TU D.. In der Zeit von 1961 bis 1970 und von 1985 bis 1989 war der Kläger ehrenamtlich als Parteigruppenorganisator der SED-Parteigruppe am Institut für Theoretische Physik (ca. 15 SED-Mitglieder) tätig. Von 1971 bis 1972 war der Kläger ehrenamtlicher Parteisekretär der Grundorganisation der SED am Kernforschungsinstitut D.. Schließlich war der Kläger von 1976 bis 1985 Mitglied der Leitung der Grundorganisation der SED (Stellvertreter des Parteisekretärs, zuständig für die Kassierung der Mitgliedsbeiträge) an der Sektion Physik der TU D.. Die GO-Leitung bestand aus 11 bis 13 Mitgliedern, in der Sektion waren ca. 120 SED-Mitglieder tätig.

Am 15.06.1990 kam es zu einer von der Sektionsleitung einberufenen Aussprache über die Hintergründe der Absetzung des Dozenten Dr. G. H. als Leiter der Arbeitsgruppe Grundlagenausbildung im Rahmen der Aktion einer „gezielten Fluktuation” in den Jahren 1980 bis 1983, an welcher neben dem Kläger verschiedene Mitarbeiter der Sektion Physik, unter ihnen auch Mitglieder der Initiative für die Umgestaltung an der Universität teilnahmen. Äußerungen und Verhalten insbesondere des Klägers bei dieser Aussprache werden von den Parteien unterschiedlich dargestellt.

Nach einer Anhörung des Klägers am 01.06.1992 faßte die Personalkommission III/2 der TU D. ein „offenes Votum” mit 7 Stimmen für die Geeignetheit und 6 Stimmen gegen die Geeignetheit des Klägers (Bl. 63 d.A.). Die hierauf angerufene Landespersonalkommission empfahl auf einer Sitzung am 30.07.1992 die Entlassung des Klägers mit 6:0 Stimmen und begründete diese Entscheidung wie folgt: „Verletzung der Menschenrechte in der Berufspolitik insbesondere von Haufe, langjährige Parteifunktion u. a. in der Universitätsleitung und in der SED-GOL” (Bl. 472 d.A.).

Mit Schreiben vom 27.10.1992 (Bl. 16/17 d.A.), dem Kläger am 04.11.1992 zugegangen, kündigte der Staatssekretär beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.1993, da dieser für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht geeignet sei; neben der Wahrnehmung ehrenamtlicher Funktionen in FDJ und SED sei der Kläger maßgeblich an der Benachteiligung von Wissenschaftlern beteiligt gewesen, in seiner Funktion als Sektionsdirektor habe er sich gegen den von der Universitätsleitung erteilten Auftrag zur Aufarbeitung der Fälle politischer Benachteiligung in der Sektion Physik gesperrt, in der Aussprache am 15.06.1990 habe er erklärt, sich für die Entlassung derjenigen Sektionsmitglieder einzusetze...

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