Verfahrensgang

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 28.01.1992; Aktenzeichen 19 Ca 64/91)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Kreisgerichts Leipzig-Stadt vom 28. Januar 1992 – 19 Ca 64/91 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der 53jährige Kläger war ab 01. August 1964 als Lehrer für Geschichte und Sport, ab 1968 auch als Lehrer für Englisch an der … tätig.

Ab 01. August 1979 wurde er mit seinem Einverständnis als Lehrer für Wehrunterricht an allen Oberschulen des Kreises … eingesetzt und als „Ausbildungsleiter für Wehrunterricht” vergütet. Die Wahl fiel auf ihn, weil er Reserveoffizier war. Während der Zeit seiner Tätigkeit als Lehrer für Wehrunterricht übernahm er aushilfsweise auch Unterricht in anderen Fächern (Sport und Englisch).

Seit 01. März 1990 wird der Kläger wieder als Lehrer für Sport, Geschichte und Englisch an der … beschäftigt.

Mit Schreiben vom 24. September 1991 kündigte das Oberschulamt Leipzig im Namen des Beklagten das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1991 unter Hinweis auf Vorschriften des Einigungsvertrages, weil der Kläger als Ausbildungsleiter Wehrunterricht tätig gewesen sei.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Lehrer für Wehrunterricht nicht gegen demokratische Prinzipien verstoßen. Ein konkretes Fehlverhalten werde ihm nicht vorgeworfen. Allein die Tätigkeit als Lehrer, der die politischen Vorgaben habe beachten müssen, rechtfertige nicht die Kündigung. Im übrigen habe der Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt. Außerdem habe er die für den Kläger maßgebende Kündigungsfrist nicht beachtet. Nach § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444) sei eine Kündigung frühestens zum Schuljahresschluß zulässig. Auch nach § 53 Abs. 2 BAT-O sei eine längere Kündigungsfrist einzuhalten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24. September 1991 nicht beendet wird, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

ferner – für den Fall, daß der Kläger mit dem Feststellungsantrag obsiegt –, den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Lehrer weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger habe sich als Ausbildungsleiter für Wehrunterricht in besonderem Maße mit den Zielen der SED identifiziert und diese kompromißlos unterstützt. Deshalb sei er für die Tätigkeit als Erzieher junger Menschen ungeeignet. Auf eine ordnungsgemäße Personalratsanhörung komme es nicht an, da dies aufgrund der Vorschriften des Einigungsvertrages nicht erforderlich sei. Für die Kündigungsfrist sei nach dem Einigungsvertrag allein § 55 AGB maßgebend.

Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben, da der Kläger das Fach Wehrkunde ohne jede Leitungs-, Aufsichts- und Kontrollfunktion unterrichtet habe. Darüber hinausgehende Erklärungen des Beklagten seien Vermutungen.

Gegen das dem Beklagten am 21. Februar 1992 zugestellte Urteil des Kreisgerichts hat dieser in einem am 11. März 1992 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 10. April 1992 begründet.

Der Beklagte trägt vor, die staatlichen Unterrichtshilfen für Lehrer für Wehrunterricht zeigten, daß die Tätigkeit des Klägers darauf angelegt gewesen sei, eine besondere Indoktrination und Einflußnahme auf die Schüler vorzunehmen. Der Wehrunterricht sei Mittel gewesen, die Ideologie der SED und den militärischen Drill in die Schulen zu tragen. Die Wehrkundelehrer hätten meist Offiziersgrad gehabt. Im Unterricht habe Befehlston vorgeherrscht. Die Lehrer seien in Uniform aufgetreten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Kreisgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe nicht „Gefühle des Abscheus” gegenüber dem Imperialismus geschürt. Auch aktiven Befürwortern des DDR-Systems müsse eine Neuorientierung ermöglicht werden. Nach der Wende habe er völlig unbeanstandet Unterricht erteilt. Er komme seinen dienstlichen Verpflichtungen im Sinne der Anforderungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nach. Für die Berechnung der Kündigungsfrist sei nach wie vor § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 maßgebend. Das ergebe sich schon daraus, daß diese Arbeitsordnung durch die zweite Verordnung zur Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 25. Januar 1991 geändert worden sei, so daß sie nicht schon vor dem 25. Januar 1991 bereits außer Kraft getreten sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Klageabweisung. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 24. September 19...

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