Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 06.07.1992; Aktenzeichen 4 Ca 8840/91) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 6.7.1992 – 4 Ca 8840/91 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 46 Jahre alte Klägerin ist verheiratet, 1 Kind. Sie ist Diplomlehrerin mit Qualifikation bis zur 12. Klasse für Sport und Geschichte und seit 1969 als Lehrerin an der B. in B.-S. in C. tätig. Seit 1970 war sie Mitglied der SED, von 1972 bis 1987 ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an der Schule, an der etwa 40 Lehrer tätig sind, von denen etwa 20 Mitglied der SED waren. Eine Schulung auf einer Bezirksparteischule lehnte sie ab.
Mit Schreiben vom 18.12.1991, zugestellt am 19.12.1991, wurde der Klägerin zum 31.3.1992 gekündigt; die Kündigung wurde mir ihrer Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär begründet. Mit ihrer Klage vom 23.12.1991 hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt, insbesondere weil sie ihre Tätigkeit als Parteisekretär schon 1987 aufgegeben habe.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 18.12.1991 nicht aufgelöst ist, sondern fortbesteht und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung über den 31.3.1992 hinaus zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Nach dem Einigungsvertrag sei die Klägerin auf Grund ihrer Tätigkeit als Parteisekretär persönlich für eine Weiterbeschäftigung als Lehrerin im öffentlichen Dienst nicht geeignet, die Grundwerte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu vermitteln.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das angefochtene Urteil vom 6.7.1992 wird Bezug genommen.
Gegen das am 13.7.1992 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 12.8.1992 Berufung eingelegt und diese am 7.9.1992 begründet.
Das Sonderkündigungsrecht des Einigungsvertrages verfolge das Ziel, die Um- und Neugestaltung des öffentlichen Dienstes zügig zu vollziehen. Das gelte hier für die Notwendigkeit des Aufbaus eines demokratischen Schulsystems und der Gewährleistung einer schulischen Ausbildung im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dafür genüge der Vortrag der Funktionen in der früheren DDR, die begründete Zweifel an der Eignung für eine Tätigkeit als Lehrer im öffentlichen Dienst erwecken. Hilfsweise ergebe sich daraus ein Anscheinsbeweis, der entkräftet werden müsse. Die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Parteisekretärs sei mit Lenkungs- und Kontrollfunktionen und Berichtspflichten verbunden. Gemäß den Richtlinien, Erklärungsbögen, der Mitteilung der Kündigungsabsicht, der persönlichen Anhörung und der Kommissionsberatungen sei dann die Kündigung im Einzel fall beraten und darüber entschieden worden. Ein Personalrat bestand beim kündigungsberechtigten Oberschulamt und dem Ministerium nicht.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kündigung stützt sich auf die Angaben in einer Fragebogenaktion, die nicht zulässig gewesen sei. Es handle sich um datengeschützte Angaben, auch um unzulässige Fragen, die deshalb nicht verwendet werden drüften (ArbG Leipzig vom 16.7.1992, 9 A 3100/91). Eine Einzelfallprüfung sei nicht vorgenommen worden, der Personalrat der Schule sei nicht ordnungsgemäß gehört worden (§ 82 Abs. 6 PersVG DDR). Das Amt des Parteisekretärs habe die Klägerin 1972 aus idealistischen Vorstellungen übernommen in der Vorstellung, daß Parteimitglieder einen fachlich hervorragenden Unterricht zu geben hätten. 1979 habe man die Klägerin aufgefordert, die Parteischule zu besuchen, das habe sie abgelehnt, weil sie Lehrerin bleiben wollte. Schon 1981/82 wollte sie das Amt des Parteisekretärs niederlegen, sie sollte wieder zur Parteischule, was sie ablehnte. 1987 sei es dann gelungen, die Funktion eines Parteisekretärs abzugeben. Zeugen J. habe sie den Wurf von handgranatenähnlichen Keulen erspart. Ab Oktober 1989 habe sie eine freiwillige Gesprächsrunde eingeführt und zusammen mit dem Jugendpfarrer 1990 in der Kreuzkirche einen Unterricht über die Entstehung des Christentums abgehalten. Sie habe die neuen Entwicklungen aufgenommen und sich aktiv damit auseinandergesetzt.
Die von der Klägerin benannten Zeugen M. und S. wurden gem. Anlage zum Protokoll vernommen. Im übrigen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze vom 5.9., 12.10. und 3.11.1992 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung war zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben; der Klägerin durfte nicht wegen ihrer Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär bis zum Jahre 1987 gekündigt werden, weil sie dem Gericht glaubhaft machen konnte, daß sie sich nicht mehr mit dem SED-Staat identifizierte.
Auszugehen ist von der Vorschrift des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl. II S. 889) Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4, won...