Entfernung einer Lehrerin aus dem Dienst wegen Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht
Einer Lehrerin wurde im Rahmen des Disziplinarverfahrens vorgeworfen, durch Äußerungen bei Demonstrationen, im Rahmen von Interviews und durch Postings auf Social-Media-Plattformen in Erscheinung getreten zu sein und hierdurch in eklatanter Weise gegen ihre Pflicht zur politischen Mäßigung, zur unparteiischen und gerechten Amtsführung sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen, sich verfassungsuntreu gezeigt und durch ihr Gesamtverhalten den Schulfrieden gestört zu haben. Das Verwaltungsgericht Trier hatte entschieden, dass die Lehrerin aus dem Dienst entfernt werden darf.
Mit ihrer gegen das Urteil des VG Trier eingelegten Berufung machte die Beamtin unter anderem geltend, die auf ihre Dienstentfernung gerichtete Disziplinarklage des Landes Rheinland-Pfalz sei insgesamt abzuweisen, da schon kein Dienstvergehen vorliege. Die Abwägungsentscheidung zwischen ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz auf der einen Seite und den sie treffenden Beamtenpflichten auf der anderen Seite falle zu ihren Gunsten aus. Wenn überhaupt, dann könne allenfalls eine deutlich geringere Sanktion, etwa in Form eines Verweises, gegen sie ausgesprochen werden.
OVG: Schwerwiegendes Dienstvergehen rechtfertigt Entfernung aus dem Dienst
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz wies die Berufung zurück. Die Beamtin habe ein einheitlich zu bewertendes, schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das ihre Entfernung aus dem Dienst unausweichlich mache. Sie habe nicht nur mit Aussagen und Auftritten auf verschiedenen – insgesamt vier – Demonstrationen (außerdienstlich) gegen die Pflicht zur politischen Mäßigung, die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen, sondern zugleich bei drei dieser Veranstaltungen vorsätzlich und schuldhaft (innerdienstlich) ihre Verfassungstreuepflicht verletzt. Ein weiterer Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht sei der Beamtin im Zusammenhang mit einem Beitrag in den sozialen Medien anzulasten.
Beamte müssen sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen
Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, gehöre zu den Kernpflichten eines jeden Beamten. Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben könne", müsse sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lasse es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig würden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnten und bekämpften.
Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung
Eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung liege nicht nur dann vor, wenn abstrakt eine Abschaffung zentraler Grundprinzipien gefordert werde, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat unentbehrlich seien. Vielmehr beziehe sich das Dienst- und Treueverhältnis von Beamten auch auf den konkreten Verfassungsstaat, seine gegenwärtigen Institutionen und seine demokratisch legitimierten Repräsentanten. Darum schuldeten aktive Beamte dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität. Die Treuepflicht werde verletzt, wenn der Beamte die Staatsorgane nicht lediglich kritisiere, sondern ihre demokratisch gewählten Repräsentanten diffamiere, ihnen die Legitimation abspreche, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürworte oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordere. Diese Verpflichtung betreffe gleichermaßen das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten des Beamten.
Politische Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten
Politische Treuepflicht bewähre sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen sei, dass der Beamte Partei für ihn ergreife. Von jedem Beamten müsse daher verlangt werden, dass er auch im außerdienstlichen Bereich von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten absehe, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien oder diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung diffamierten oder verächtlich machten.
Verstoß der Lehrerin gegen die Verfassungstreuepflicht
Ausgehend von diesen vom Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen habe die Beamtin bei drei Demonstrationen in den Jahren 2018 und 2019 gegen ihre Verfassungstreupflicht verstoßen. Indem sie etwa bei einer Kundgebung im Sommer 2018 davon gesprochen habe, in einem „angeblichen Rechtsstaat“ zu leben, es als ungeheuerlich bezeichnet habe, wie der Staat den Bürgern ihr Recht auf Meinungsfreiheit nehme und sich sogar zu der Aussage habe hinreißen lassen, auch in Deutschland werde man allein deswegen eingesperrt, weil man die falschen kritischen Fragen stelle, bewege sie sich nicht mehr im Rahmen einer polemisch überspitzten Kritik an der Regierungsarbeit bzw. dem konkreten – damaligen – Verfassungsstaat. Vielmehr reichten diese Behauptungen hierüber hinaus und stellten das parlamentarisch-repräsentative System des Grundgesetzes grundsätzlich zur Disposition.
Auch bei einer weiteren Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 in Berlin mit ca. 1.900 Teilnehmern, die nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes von einem zu einem Netzwerk muslim- und fremdenfeindlicher Rechtsextremisten zählenden Verein veranstaltet worden sei, habe sie ihre Verfassungstreuepflicht evident verletzt. So habe sie etwa die Bundesrepublik Deutschland als einen Unrechtsstaat angeprangert, in dem Unfreiheit und Zensur herrsche. Zudem habe sie sich unter Inanspruchnahme ihres Amtsbonus, nämlich unter ausdrücklichem Hinweis auf ihre eigene Beamtenstellung, gegen die aktuelle Migrationspolitik gewandt und Beamte – insbesondere zum Grenzschutz eingesetzte Polizeivollzugsbeamte des Bundes – zum Ungehorsam aufgerufen, was nicht nur der von ihr als aktiver Beamtin geforderten Einstandspflicht diametral entgegenstehe, sondern darüber hinausgehend sogar als aktive Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu bewerten sei.
Auch im Jahr 2019 habe sie bei einer Veranstaltung mit ihrer Behauptung, dass der Rechtsstaat abgeschafft sei, sowie dem hieran unmittelbar anschließenden Ausruf „Es lebe der totalitäre Umerziehungsstaat“ gegen ihre Verfassungstreuepflicht verstoßen. Schließlich habe sie einen Internetbeitrag geteilt und mit einer zustimmenden Anmerkung versehen, in dem zum einen die Selbstjustiz in Form der „Todesstrafe“ befürwortet worden sei und zum anderen darüber hinaus die Tötung ihr unliebsamer Personengruppen („Bahnhofsklatscher“) als opportunes Mittel beschrieben worden sei, um sich derer zu entledigen. Dies stelle sich erneut nicht nur als eklatanter Verstoß gegen die Pflicht zur politischen Mäßigung, die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung dar, sondern zugleich als öffentliches Bekenntnis, rechtsstaatliche Gerichtsverfahren und die Menschenwürde nicht zu akzeptieren.
Bewusste Zuwiderhandlung gegen Verfassungstreuepflicht
Das OVG Rheinland-Pfalz ist zu der Überzeugung gelangt, dass die objektiv festgestellten Verstöße gegen die Verfassungstreuepflicht auch Ausdruck der Persönlichkeit der Beamtin sind und von ihr subjektiv getragen werden. In Anbetracht der Art und Weise, wie die Auffassungen von ihr vorliegend öffentlich verkündet worden seien, bestehe kein Zweifel daran, dass sie von innerer Ablehnung des nach den Grundprinzipien des Grundgesetzes gelebten Verfassungsstaates getragen seien. Die Beamtin habe sich gezielt ein politisch radikales Portfolio aufgebaut und unaufhörlich mit drastischer Diktion gegen Politiker, den Staat, seine Organe, gegen die Europäische Union, deren Organe und schließlich gegen (illegale) Migranten gehetzt. Auch verbale Entgleisungen in Bezug auf das Thema Migration wie „grenzenloser Import von Mord und Totschlag“, „Umvolkung“, „Blutspur“ oder „Genozid“ zögen sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes politisches Engagement. Soweit sie darauf verweise, sich doch gerade regelmäßig auf die Verfassung berufen zu haben, rechtfertige dies kein anderes Ergebnis. Vielmehr erweise sich diese Vorgehensweise als offen zutage tretende Bemäntelung der wahren inneren Einstellung und Absichten. Beleg hierfür seien schon die den Grundsätzen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung offensichtlich entgegenstehenden Verhaltensweisen, die sich sogar in der Gutheißung von Tötungen andersdenkender Personen offenbarten oder das staatliche Gewaltmonopol grundsätzlich in Frage stellten. Das Aufstellen solcher Aussagen und die gleichzeitige Bekräftigung, dass die Verfassungsordnung respektiert werde, widersprächen sich diametral und seien miteinander unvereinbar. Selbst in ihrer persönlichen Einlassung habe sie schließlich noch zum Ausdruck gebracht, die Dinge so wie damals zu sehen.
Verhalten der Lehrerin nicht durch Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt
Die schwerwiegende Verletzung dieser beamtenrechtlichen Kernpflicht durch die Beamtin lasse sich auch nicht mit einem Verweis auf die durch das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK – gewährleistete Meinungsfreiheit rechtfertigen. Mit Blick auf die Schwere dieses Dienstvergehens sei es dem Dienstherrn nicht zuzumuten, eine Beamtin – hier zudem im Amt einer Lehrerin –, die sich in dieser Art und Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt habe, weiter zu beschäftigen. Mit ihren wiederholten Auftritten in der Öffentlichkeit habe sie keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihrem Gedankengut, was darauf ausgerichtet sei, Bürger gegen den Staat und zugewanderte Menschen aufzubringen, vollkommen verhaftet sei. Eine derart geprägte Persönlichkeit habe das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in ihre Integrität endgültig verloren.
(OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.6.2024, 3 A 10684/23.OVG)
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