Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 12.12.1994; Aktenzeichen 12 Ca 4669/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 12.12.1994 – 12 Ca 4669/94 – wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, vorsorglich ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 05.07.1994.
Der am 16.11.1943 geborene, verheiratete Kläger war nach Ableistung seiner Wehrpflichtzeit bei den Grenztruppen der DDR vom 02.05.1969 bis 30.10.1970 bis zu seiner Promotion im Jahre 1974 als Assistent an der Universität L. tätig. Vom 01.09.1976 bis 1990 war der Kläger Abteilungsleiter der Arbeitshygieneinspektion des Bezirkes L. Gemäß Arbeitsvertrag vom 26.09.1991 (Bl. 4/5 d.A.) übte der Kläger ab 01.10.1991 die Funktion eines Abteilungsleiters 2 im Gewerbeaufsichtsamt L. aus. Zuvor war der Kläger in dieser Dienststelle bereits ab 01.01.1991 tätig, wie sich aus dem Änderungsvertrag vom 30.10.1991 (Bl. 116 d.A.) ergibt. Der Kläger wurde zunächst als „Mitarbeiter Abwicklung” geführt bis zu seiner Berufung als Abteilungsleiter ab 01.07.1991. Inzwischen geht auch der Beklagte davon aus, die Arbeitshygieninspektion sei in die Gestalt der Gewerbeaufsichtsämter überführt worden.
Der Kläger erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe I a BAT-O.
Wie der Beklagte durch den Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 05.05.1994 (Bl. 6 bis 8 d.A.) und den beigefügten Anlagen erfuhr, hatte der Kläger während seiner Wehrdienstzeit am 16.08.1969 eine mit der Überschrift „Berufung” versehene Verpflichtungserklärung zur Unterstützung der Arbeit des MfS (Bl. 73 d.A.) und am 07.10.1969 eine Verpflichtungserklärung für das MfS, verbunden mit der Wahl des Decknamens „P. H.” (siehe Bl. 74 d.A.), unterzeichnet. Es liegen 5 handschriftliche Berichte des Klägers über Mitsoldaten vor (Bl. 75 bis 79 d.A.). Außerdem enthält die MfS-Akte 10 Treffberichte.
Die an ihn im Rahmen einer „Erklärung” gestellten Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS hatte der Kläger am 21.11.1991 verneint (Bl. 234/235 d.A.).
Nach einer Anhörung des Klägers am 23.06.1994 kündigte das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, vorsorglich ordentlich mit Schreiben vom 05.07.1994 (Bl. 9 d.A.). Der zuvor mit Schreiben vom 23.06.1994 angehörte Hauptpersonalrat (Bl. 90 d.A.), mit dem die Maßnahme am 30.06.1994 erörtert wurde, hatte in der Sitzung am 30.06.1994 entschieden, sich nicht zu äußern. (siehe Protokoll, Bl. 91/92 d.A.).
Gegen diese Kündigung richtet sich die am 14.07.1994 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage des Klägers.
Der Kläger hat u. a. vorgetragen, ein Offizier habe ihm erklärt, die Berichterstattung über andere Soldaten sei notwendig und üblich. Der Kläger habe sich nicht freiwillig hierzu bereiterklärt. Er habe nur 10 Monate berichtet, alles läge nahezu ein Vierteljahrhundert zurück, er habe keine Vorteile gehabt. Er habe entgegen seiner Berufsplanung nicht Dozent an der Universität werden können, da er sich geweigert habe, der SED beizutreten. Gegenüber dem Leutnant F. habe er sich 1970 geweigert, im Zivilleben weiterzuberichten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 05. Juli 1994 nicht aufgelöst wurde,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Abteilungsleiter weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat entgegnet, der Kläger habe sich mit den Aufgaben, Zielen und Methoden des MfS in starkem Maße identifiziert. Es läge keine Distanzierung vor. Jetzt habe der Kläger Führungsaufgaben inne und sei mit dem Erlaß von Verwaltungsakten mit Vollzug betraut. Die bewußt unrichtigen Antworten im Erklärungsbogen beeinträchtigten das Vertrauensverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.12.1994 die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf DM 24.000,00 festgesetzt. Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im übrigen Bezug genommen wird (Bl. 99 bis 101 d.A.), u. a. ausgeführt, dem Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gem. § 626 BGB nicht zuzumuten. Denn der Kläger habe dem MfS konspirativ zugearbeitet. Er habe Kameraden denunziert. Seine Berichte hätten die Betroffenen gefährden oder ihnen zumindest Nachteile bringen können. Es habe sich auch subjektiv nicht lediglich um die bloße Erfüllung von Soldatenpflichten gehandelt, wie die Verwendung eines Decknamens zeige. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, daß er nach dem Wehrdienst Berichte verweigert habe, daß die Tätigkeit mehr als zwei Jahrzehnte zurückli...