Entscheidungsstichwort (Thema)

Überleitung vom BAT auf den TVöD-VKA. Antrag auf Höhergruppierung nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA. Eingruppierungssystematik im TVöD-VKA. Arbeitsvorgang als Ausgangspunkt der Bewertung einer Tätigkeit. Gründliche Fachkenntnisse i.S.d. Entgeltgruppe 5 der EntgO des TVöD-VKA. Vielseitige Fachkenntnisse i.S.d. Entgeltgruppe 6 der EntgO des TVöD-VKA. Selbstständige Leistungen i.S.d. Entgeltgruppe 9 der EntgO des TVöD-VKA. Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess. Bindung der Tarifvertragsparteien an das Benachteiligungsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung findet aufgrund der Überleitung vom BAT in die Entgeltordnung für den Bereich der VKA gemäß § 29a Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA nicht statt.

2. Etwas anderes gilt aber gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA dann, wenn sich nach der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eine höhere Entgeltgruppe ergibt und die Beschäftigten einen Antrag auf Höhergruppierung stellen. Dann sind die Beschäftigten in die Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TVöD-VKA ergibt.

3. Nach § 12 Abs. 2 TVöD-VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

4. Unter einem Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Beschäftigten zu verstehen. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis.

5. Gründliche Fachkenntnisse liegen vor, wenn der Beschäftigte über nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen usw. des Aufgabenkreises verfügen muss. Dieses Tarifmerkmal hat sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind.

6. Der Aufgabenkreis des Beschäftigten muss so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Gefordert wird eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfang nach. Die Vielseitigkeit kann sich insbesondere aus der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben.

7. Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderungen nicht erfüllen kann.

8. Nach allgemeinen Grundsätzen liegt die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, dass die beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt seien, bei dem Beschäftigten als dem Kläger.

9. Das Benachteiligungsverbot aus § 15 Abs. 6 Satz 2 BEEG bindet als zwingendes Recht auch die Tarifvertragsparteien. Es steht Regelungen entgegen, die die von Artikel 6 GG geschützte Freiheit, sich für die Elternzeit zu entscheiden, beeinträchtigen, sofern sich der Nachteil nicht allein aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternzeit als ruhendes Arbeitsverhältnis ergibt.

 

Normenkette

TVÜ-VKA § 29a; TVöD §§ 12-13; TVöD Anl. 1 Teil A Abschn. 1 Nr. 3 EG 9b; GG Art. 6; Richtlinie 2010/18/EU Art. 5 Nr. 2; TVÜ-VKA § 29b Abs. 1 S. 1, § 29c Abs. 3 S. 1; BEEG § 15 Abs. 2 S. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Entscheidung vom 25.02.2021; Aktenzeichen 5 Ca 5251/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.02.2024; Aktenzeichen 6 AZR 126/23)

 

Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 25.02.2021 - 5 Ca 5251/19 - wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist,

die Klägerin ab 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 4 zuzüglich des Garantiebetrages i.H.v. 92,22 € sowie ab 01.02.2017 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 4 zuzüglich des Garantiebetrages i.H.v. 94,39 €, höchstens jeweils jedoch mit dem Tabellenentgelt der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9b,

und ab 01.10.2017 nach der Entgeltgruppe 9b Stufe 5 TVöD-VKA

zu vergüten sowie die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge jeweils in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu verzinsen:

den Bruttodifferenzbetrag für den Monat März 2017 für die Zeit vom 01.04.2017 bis einschließlich 22.05.2017 und dann wieder ab 15.06.2017,

den Bruttodifferenzbetrag für den Monat April 2017 für die Zeit vom 29.04.2017 bis einschließlich 22.0...

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