Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 13.02.1996; Aktenzeichen 12 Ca 10468/95) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 13. Februar 1996 – 12 Ca 10468/95 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 05. Oktober 1995 zum 31. Mai 1996 geendet hat.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 02.08.1940 geborene Klägerin war seit dem 22.02.1965 bei der Liegen-, Sessel- und Matrazen GmbH L. F. (im folgenden: LISEMA GmbH) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
Das Amtsgericht Chemnitz hat mit Beschluß vom 01.08.1995 – Az.: N 843/95 – über das Vermögen der LISEMA GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und den Beklagten zum Verwalter bestellt.
Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Holz und Kunststoffe verarbeitende Industrie Sachsen vom 27.02.1992 (im folgenden: MTV) Anwendung.
Mit Schreiben vom 05.10.1995, der Klägerin am 06.10.1995 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der sich aus § 2 Nr. 14 b) MTV ergebenden Kündigungsfrist zum 31.03.1996. § 2 MTV hat folgenden hier interessierenden Wortlaut:
„§ 2
Einstellungen und Entlassungen
…
11. Während der Aushilfszeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits gelöst werden:
- bei Arbeitern ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist täglich zum Arbeitsschluß (Schichtende),
- bei Angestellten innerhalb des 1. Monats ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist täglich zum Arbeitsschluß, innerhalb der nächsten zwei Monate, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einer Woche zum Wochenschluß.
…
14. a) Für Kündigungen betragen die beiderseitigen Kündigungsfristen nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von
- bis zu 5 Jahren zwei Wochen
- bis zu 10 Jahren drei Wochen
- mehr als 10 Jahren vier Wochen
jeweils zum Ende der Kalenderwoche.
14. b) Nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit ab vollendetem 25. Lebensjahr verlängern sich die Kündigungsfristen für Kündigungen durch den Arbeitgeber
- von 5 Jahren auf einen Monat zum Monatsende
- von 10 Jahren auf zwei Monate zum Monatsende
- von 20 Jahren auf drei Monate zum Ende des Kalendervierteljahres.
15. Die gesetzlichen Vorschriften über die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses bleiben unberührt.
…
19. Wird der Arbeitnehmer aus Gründen entlassen, die er nicht zu vertreten hat, und innerhalb eines Zeitraumes von 24 Monaten wieder eingestellt, so ist bei der Bemessung der tarifvertraglichen Ansprüche und Rechte die vor der Entlassung verbrachte Beschäftigungszeit auf die Betriebszugehörigkeit anzurechnen.”
Die Parteien streiten vorliegend darüber, ob die Kündigung des Beklagten das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen erst zum 31.05.1996 beendet hat.
Die Klägerin ist der Ansicht, es müsse die Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB n. F. zur Anwendung kommen. Die Regelungen über Kündigungsfristen im MTV stammten aus der Zeit vor Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes vom 07.10.1993. Die Regelung des § 622 Abs. 4 BGB n. F. gelte aber nur für danach abgeschlossene Tarifverträge. Der Beklagte sei außerdem deshalb zur Einhaltung der Kündigungsfristen verpflichtet, weil die LISEMA GmbH diese Fristen bei Arbeitnehmern, welchen Ende 1994 bzw. Anfang 1995 gekündigt worden sei, angewandt habe, und weil die Geschäftsführerin der LISEMA GmbH auf verschiedenen Betriebsversammlungen Anfang 1995 sowie im Juni und August 1995 erklärt habe, daß Kündigungen nur noch nach den gesetzlichen Kündigungsfristen ausgesprochen würden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 05.10.1995 nicht zum 31.01.1996 aufgelöst worden ist, sondern frühestens zum 31.05.1996 enden wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Chemnitz hat mit Urteil vom 13.02.1996 – 12 Ca 10468/95 – die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihr Vorbringen in der ersten Instanz und führt ergänzend aus, ein Vergleich der Regelung des § 55 Abs. 2 AGB-DDR mit § 2 Nr. 14 b) MTV ergebe, daß die Regelung des AGB-DDR inhaltlich unverändert übernommen worden sei, § 2 Nr. 14 a) und b) MTV seien – ebenso wie § 55 Abs. 1 und 2 AGB-DDR – als einheitlicher Regelungskomplex anzusehen. Der Sinngehalt des § 55 Abs. 1 AGB-DDR sei insofern in § 2 Nr. 14 a) MTV übernommen worden, als die tarifvertragsschließenden Parteien zutreffend davon ausgegangen seien, daß die gesetzliche Regelung einen Mindeststandard hinsichtlich der Dauer der Kündigungsfristen festlege, der jedoch die Tarifvertragspartner nicht daran hindere, längere Fristen zu vereinbaren. Genau dies hätten sie im vorliegenden Fall getan. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien habe bei Abschluß des Ta...