Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungspflicht von Umkleidezeiten
Leitsatz (redaktionell)
Ist ein Arbeitnehmer (hier: im Rettungsdienst) aufgrund einer im gültigen Qualitätsmanagementhandbuch enthaltenen Weisung verpflichtet, während der Dienstzeit Arbeitskleidung zu tragen, die erst in der Rettungswache angelegt werden darf, und ist dem Arbeitnehmer untersagt, nach Abschluss des Dienstes in Arbeitskleidung nach Hause zu fahren, so sind die für den Umkleidevorgang incl. der damit verbundenen Wegezeit benötigten Zeiten zusätzlich zu vergüten.
Normenkette
BGB § 611; MTV
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 02.06.2016; Aktenzeichen 7 Ca 2514/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.06.2016 - 7 Ca 2514/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 48 Wochenstunden für die Zeit ab dem 01.01.2016 unwirksam ist.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.865,34 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 06.06.2015 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.024,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 16.01.2016 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.061,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 796,05 € ab dem 04.03.2016 und aus weiteren 265,35 € ab dem 05.03.2016 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 329,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 260,40 € ab dem 04.03.2016 und aus weiteren 69,44 € ab dem 05.03.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in Anwendung tariflicher Vorschriften auf 48 Wochenstunden zu verlängern, und in Abhängigkeit davon über die Zahlung von Überstundenvergütung und Wechselschichtzulage, sowie über die Vergütung für Umkleidezeiten.
Der Beklagte, in dessen Betrieb ein Betriebsrat besteht, betreibt u. a. einen Rettungsdienst mit einer Rettungswache in ... und Außenstellen in ... und ... In den vorgenannten Einrichtungen des Beklagten gilt ein "Arbeitsplan für Routinearbeiten" (Anlage K 8 zum Schriftsatz des Klägers vom 05.11.2015; Bl. 188 ff. d. A.). Des Weiteren gelten die Regelungen eines "Qualitätsmanagementhandbuchs" (vgl. Auszug in Anlage K 6 zum Schriftsatz des Klägers vom 12.10.2015; Bl. 175/176 d. A.). Darin ist u. a. Folgendes bestimmt:
3.3 Wäschehygiene und Bekleidung
Die Mitarbeiter sind verpflichtet, während ihrer Dienstzeit Arbeitskleidung zu tragen.
Die Arbeitsbekleidung darf allerdings erst in der Wache angelegt werden. (...)
Die Sammlung der Schmutzwäsche erfolgt in geeigneten Behältern: (...)
Der Beklagte stellt den Mitarbeitern im Rettungsdienst kostenlos Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung. Für die Reinigung, Desinfektion und Instandhaltung der Kleidung ist der Beklagte verantwortlich. Das Tragen privater Berufskleidung ist nicht zulässig. In den Räumlichkeiten der Rettungswache bzw. den Außenstellen hat der Beklagte die Möglichkeit der getrennten Aufbewahrung von Dienstkleidung und privater Kleidung geschaffen. Zur Berufskleidung zählen Jacken und Westen mit Reflexstreifen rundum, Hosen mit Reflexstreifen an den Hosenbeinen unten sowie Hemden, Shirts usw. mit kurzen bzw. langen Ärmeln. Die Kleidung ist in einer Weise beschriftet, dass die Zugehörigkeit zum Rettungsdienst des Beklagten erkennbar ist. Der Kläger legt jeweils vor Beginn seiner Schichtzeit in den Räumlichkeiten des Beklagten die der Jahreszeit entsprechende Berufskleidung sowie Sicherheitsschuhe an und wechselt jeweils nach Schichtende in den Räumlichkeiten des Beklagten zurück zur Privatbekleidung. Die Umkleidezeiten werden nicht vergütet.
Der Kläger ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.11.1998 (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 03.07.2015; Bl. 14 ff. d. A.) seit dem 01.01.1999 als vollbeschäftigter Rettungsassistent im Rettungsdienst des Beklagten beschäftigt. Im Streitzeitraum erhielt er eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 10 zum ...-TV-O. Diese entsprach einem Stundensatz in Höhe von 10,85 € brutto. Arbeitsvertraglich ist u. a. Folgendes bestimmt:
§ 3
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des ... in der jeweils gültigen Fassung. (...)
§ 5
Die regelmäßige Arbeitszeit (§ 14 Abs. 1 ...-Tarifvertrag Ost) kann unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 des ...-Tarifvertrages Ost auf Anordnung des Kreisverbandes verlängert werden.
Mit der Zahlung ...