Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluss. keine entsprechende Anwendung von § 172 Abs 3 Nr 1 SGG oder § 127 Abs 2 S 2 ZPO iVm § 73a SGG. Arbeitslosengeld II. wachstumsbedingter Bekleidungsbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichender Erfolgsaussicht ist die Beschwerde auch in den Fällen gegeben, in denen das Rechtsmittel in der Hauptsache nicht zulässig wäre.
2. Zum Bekleidungsbedarf bei heranwachsenden Kindern.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 2 wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 6. Mai 2009 geändert. Der Antragstellerin zu 2 wird für das Verfahren S 2 AS 1576/09 ER vor dem Sozialgericht Chemnitz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin …, …, beigeordnet.
Gründe
Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (im Folgenden: Antragstellerinnen) wenden sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz, mit dem dieses die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das auf die Übernahme der Kosten für neue Kleidung für die Antragstellerin zu 2 gerichtete Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abgelehnt hat.
Die Beschwerde ist statthaft. § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung schließt die Beschwerde nicht aus, weil das Sozialgericht nicht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint hat. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wonach die Beschwerde in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ist auf die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren weder direkt noch entsprechend anwendbar (so schon Beschluss des Senats vom 18.03.2009 - L 7 B 446/08 AS-PKH mit einer Übersicht zum Streitstand; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2009 - L 28 B 1379/08 AS PKH; zitiert nach Juris).
Der gegenteiligen Auffassung folgt der Senat auch nach der inzwischen ergangenen weiteren Rechtsprechung (SächsLSG, Beschlüsse vom 18.08.2009 - L 2 AS 321/09 B PKH und L 2 AS 352/09 B PKH; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.08.2009 - L 8 258/08 AS-PKH; HessLSG, Beschluss vom 08.07.2009 - L 6 AS 1754/09 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2009 - L 20 B 2247/08 B PKH) nicht. Dem steht aus Sicht des erkennenden Senats der ausdrückliche Wortlaut der speziell für das sozialgerichtliche Verfahren getroffenen Regelungen in § 172 Abs. 1 und Abs. 3 SGG entgegen. Über die allgemeine Verweisungsnorm des § 73a SGG auf die Regelung in § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) Rückgriff zu nehmen, verbietet sich aufgrund dieser Spezialvorschrift. Der Senat sieht hierin auch keinen Wertungswiderspruch, da auf diese Weise gewährleistet ist, dass ein unbemittelter Rechtsschutzsuchender mit staatlicher Unterstützung und rechtskundiger Hilfe zumindest ein gerichtliches Verfahren als (vollständiges) Hauptsacheverfahren führen kann. Da über die Gewährung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nach summarischer Prüfung vorab zu entscheiden ist, also bevor weitere Ermittlungen veranlasst oder angestellt bzw. Beweise erhoben werden (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO), dient die Beschwerdemöglichkeit gegen mangels Erfolgsaussicht ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidungen der Sozialgerichte so der Verwirklichung des Anspruchs Unbemittelter auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutz. Die gleichzeitige Geltung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG einerseits und § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung andererseits würde indes im Anwendungsbereich des SGG zum völligen Ausschluss der Prozesskostenhilfebeschwerde führen, wenn der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht erreicht ist.
Auch unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses (vgl. hierzu im Einzelnen: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.05.2008 - L 6 B 48/08) erlaubt die eindeutige und abschließende Neuregelung des § 172 SGG zum 01.04.2008 eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO über § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht. Dagegen spricht im Übrigen auch der 3. Halbsatz jener Vorschrift, der - anders als § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG - eine Beschwerde auch beim Unterschreiten des Beschwerdewertes zulässt, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Einen völligen Ausschluss der Prozesskostenhilfebeschwerde bei Nichterreichen des Beschwerdewertes sieht also auch die ZPO nicht vor.
Da in der Rechtsprechung bereits vor der jüngsten Änderung des Sozialgerichtsgesetzes mit dem zum 01.04.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGB. I S. 444) unterschiedliche Auffassungen zur Rechtsmittelfäh...