Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Bedürftigkeit. Vermögenseinsatz. Freibleiben kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte. Prozesskostenhilfe ist keine Hilfe in besonderen Lebenslagen. kein Freibetrag für Ehegatten bei Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Es handelt sich bei der Prozesskostenhilfe um eine eigenständige Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB 12 und nicht um Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB 12 (Anschluss an übrige Senate des LSG Chemnitz).
2. Lebt der um Prozesskostenhilfe Nachsuchende mit seinem Ehegatten oder Lebenspartner in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB 2, dann unterhält er diesen nicht überwiegend iS des § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12.
Tenor
Der Antrag des Klägers und Berufungsbeklagten, ihm für das Berufungsverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) hat mit einem beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) am 29.08.2012 eingegangenen Schreiben die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten bei ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Zwar kommt es hier auf die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung durch den Kläger nicht an (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Nach den Feststellungen im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren ist der Kläger allerdings nicht bedürftig i.S.d. § 115 ZPO, denn er hat einsetzbares Vermögen in Höhe von 1.782,00 EUR, mit dem er die Kosten seiner Rechtsverteidigung decken kann.
Nach der am 21.09.2012 vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt der verheiratete Kläger zusammen mit seiner Ehefrau über ein Girokonto, über zwei Sparbücher und Guthaben auf einem Tagesgeldkonto. Hinzu kommt der zum 30.04.2012 bestehende Rückkaufswert der Lebensversicherung zugunsten der Ehefrau S…, von dem beim Kläger die Hälfte in Ansatz zu bringen ist. Damit ergibt sich verwertbares Vermögen von insgesamt 4.406,00 EUR, das den dem Kläger zustehenden Schonbetrag in Höhe von 2.624,00 EUR um 1.782,00 EUR übersteigt. Das Schonvermögen nach § 12 Zweites Buch Sozialgesetzbuch bleibt nur für die Bewilligung von Leistungen nach jenem Gesetz unberücksichtigt. Die im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu berücksichtigenden Freibeträge sind andere und ergeben sich aus § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (≪SGB XII≫; vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 180/10 R, zitiert nach Juris, RdNr. 25).
Der Kläger hat gemäß § 115 Abs. 3 ZPO sein Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies zumutbar ist. Das Vermögen ist in seiner Gesamtheit zu betrachten. Hat die Partei mehrere Vermögenswerte (Lebensversicherung, Sparbuch, Barvermögen), die zwar jeweils unter dem Freibetrag liegen, zusammen z.B. mit dem Rückkaufswert der Lebensversicherung allerdings den Vermögensfreibetrag überschreiten, kann sie auf die Verwertung des verfügbaren Vermögens verwiesen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 02.12.2010 - L 7 AS 283/10 B PKH m.w.N.). Zum Vermögen gehören die Guthaben auf den Sparbüchern (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 12.12.2007 - L 6 B 50/07 U-PKH), dem Tagesgeldkonto (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 08.04.2008 -L 3 B 345/07 AL-PKH) und dem Girokonto (SächsLSG, Beschluss vom 17.05.2006 - L 1 B 121/05 AL-PKH; Beschluss vom 22.05.2007 - L 3 B 288/06 AL-PKH; Beschluss vom 26.11.2007 - L 4 B 501/07 R-PKH; Beschluss vom 05.05.2008 - L 2 B 211/08 AS-PKH). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die - ggf. teilweise - Verwertung der Lebensversicherung und der Einsatz des auf dem Tagesgeldkonto vorhandenen täglich verfügbaren Guthabens und den Sparbüchern unzumutbar wären. Neben einer Kündigung der Lebensversicherung, um in den Genuss des Rückkaufswertes zu gelangen, kommt auch eine Beleihung der Versicherung in Betracht, bei welcher die Versicherung grundsätzlich erhalten bleibt (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 15.03.2007 - L 6 B 249/06 R KN-PKH, Beschluss vom 17.08.2006 - L 4 B 174/06 R-PKH, Beschluss vom 21.01.2008 - L 2 B 711/07 AS-PKH).
Von dem danach einzusetzenden Vermögen ist nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII für den Kläger ein Freibetrag in Höhe von 1.600,00 EUR abzuziehen.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII lautet:
“Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind,
1. wenn die Sozialhilfe vom Vermögen der nachfragenden Person abhängig ist,
a) bei der Hilfe zum Lebensunterhalt...