Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. aufschiebende Wirkung. Asylbewerberleistung. Dauerverwaltungsakt. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Einstellung von Leistungen nach § 2 AsylbLG
Leitsatz (amtlich)
1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, mit dem die Einstellung der Leistungen nach § 2 AsylbLG verfügt wurde, haben aufschiebende Wirkung, wenn es sich bei dem früheren Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt.
2. Vorläufiger Rechtsschutz kann in diesen Fällen dadurch gewährt werden, dass das Sozialgericht in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG die aufschiebende Wirkung feststellt.
Orientierungssatz
1. Werden Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG "bis auf weiteres" bewilligt, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung sich an den über § 9 Abs 3 AsylbLG entsprechend anwendbaren Regelungen der §§ 45, 48 SGB 10 messen lassen muss (vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 13/07 R).
2. Ein Asylbewerber handelt nicht schon dann rechtsmissbräuchlich iS des § 2 Abs 1 AsylbLG, wenn er nicht freiwillig ausreist und hierfür keine anerkennenswerten Gründe vorliegen (vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 13/07 R und B 8/9b AY 1/07 R = SozR 4-3520 § 2 Nr 2).
Normenkette
AsylbLG §§ 2-3, 9 Abs. 3; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 4. März 2008 aufgehoben, soweit der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden war.
Es wird festgestellt, dass die Klage Az. S 25 AY 2/08 der Antragsteller beim Sozialgericht Chemnitz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 aufschiebende Wirkung hat.
II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtzügen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehren die Weitergewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG -.
Die Antragsteller zu 1 und 2 sind die Eltern der Antragsteller zu 3 bis 7. Die Antragstellerin zu 8 ist die Mutter des Antragstellers zu 1. Nach ihren Angaben sind sie Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien, stammen aus dem Kosovo und gehören der Volksgruppe der Roma an. Sie reisten nach ihren Angaben im Mai 2002 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein, wo sie sich am 27.05.2002 als Asylbewerber meldeten. Ihre Asylanträge wurden bestandskräftig abgelehnt. Seit 02.06.2004 verfügen die Antragsteller über aufenthaltsrechtliche Duldungen, die zeitweise wegen des Abschiebestopps für Roma aus dem Kosovo, teilweise wegen Fehlens gültiger Reisedokumente ausgestellt wurden. Ihre Asylfolgeanträge waren - soweit ersichtlich - bisher nicht erfolgreich.
Mit Bescheid vom 06.07.2005 bewilligte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner), dessen Zuständigkeitsbereich die Antragsteller im Rahmen des Asylverfahren zugewiesen worden waren, der Familie ab 01.07.2005 bis auf Weiteres Leistungen nach § 2 AsylbLG, wobei für die Grundbedürfnisse Ernährung, Wohnen, Hygiene u. Ä. weiterhin Sachleistungen in Form der Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft in Reichenbach sowie durch Warengutscheine erbracht und nur ein erhöhter Barbetrag geleistet wurde. Den Antrag vom 03.05.2006 auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG in Form von Geldleistungen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 03.01.2007 ab; im Übrigen gelte der Bescheid vom 01.07.2005 (richtig: 06.07.2005) fort. Insoweit wird auf jenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2007 und die dazu geführten sozialgerichtlichen Verfahren S 22 AY 17/06 ER, S 25 AY 11/07, S 25 AY 10/07 ER bzw. L 3 B 457/07 AY-ER und L 3 B 458/07 AY-PKH verwiesen.
Mit Schreiben vom 09.07.2007 teilte die Zentrale Ausländerbehörde des damaligen Regierungspräsidiums Chemnitz (ZAB) auf vorherige Anfrage des Antragsgegners mit, dass die Antragsteller ihre Passlosigkeit selbst zu vertreten hätten. Mit Bescheid vom 12.07.2007 verpflichtete die ZAB die Antragsteller u.a., bei der Botschaft der Serbischen Republik vorzusprechen. Die Vorsprache erfolgte am 09.08.2007. Ihr Prozessbevollmächtigter teilte im Anschluss mit, die Antragsteller hätten die Ausstellung von Nationalpässen beantragt. Bereits am 24.07.2007 waren die Antragstellerinnen zu 2 und 5 bei einer persönlichen Vorsprache beim Sozialamt des Antragsgegners darauf hingewiesen worden, dass die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG nicht mehr vorlägen. Im Gespräch hätten die Antragstellerinnen angegeben, sie könnten nicht in den Kosovo zurückkehren, und hierfür auch gesundheitliche Gründe geltend gemacht. Gültige Pässe bzw. Reisedokumente der Antragsteller wurden nicht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 25.09.2007 an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller wurden die Antragsteller zur beabsichtigten Einstellung der Leistung nach § 2 Asylb...