Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweiliger Rechtsschutz. Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung. Asylbewerberleistungsrecht. Analogleistung. Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs. rechtliches Gehör. Berücksichtigung von Parteivorbringen. Entäußerung. Zeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen gem § 2 AsylbLG können in einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bewilligt werden.
2. Der Widerspruch gegen einen Bescheid, mit dem die Bewilligung von Leistungen gem § 2 AsylbLG aufgehoben wird, entfaltet gem § 86a Abs 1 S 1 SGG aufschiebende Wirkung.
3. Wenn zwischen den Beteiligte zweifelhaft ist, ob die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches oder einer Anfechtungsklage eingetreten ist, kann in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG durch deklaratorischen Beschluss die aufschiebende Wirkung festgestellt werden.
4. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist - gegebenenfalls neben einer Entscheidung gem § 86b Abs 1 SGG - nur dann erforderlich, wenn die begehrte Leistung durch die zuständige Behörde entweder überhaupt nicht oder nicht in der beantragten Höhe bewilligt worden ist.
5. Äußerungen der Beteiligten müssen bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht sich selbst seiner Entscheidung entäußert, zur Kenntnis genommen und gewürdigt werden.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 1. April 2009 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 9. Februar 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2009 aufschiebende Wirkung hat.
II. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin …., als Bevollmächtigte beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ziel, ihm weiterhin Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) an Stelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren..
Der Antragsteller ist lybischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit. Er bezieht seit 15. Mai 2002 von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . Mit Änderungsbescheid vom 23. Oktober 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 1. November 2008 “bis auf weiteres„ Leistungen gemäß § 2 AsylbLG in bezifferter Höhe.
Mit Änderungsbescheid vom 5. November 2008 änderte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 23. Oktober 2008 und bewilligte dem Antragsteller ab 1. Dezember 2008 “bis auf weiteres„ Leistungen gemäß § 1 AsylbLG. Der Antragsteller legte hiergegen mit Schriftsatz vom 10. November 2008 Widerspruch ein. Auf seinen Antrag hin verpflichtete das Sozialgericht Leipzig mit Beschluss vom 7. Januar 2009 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2009 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 23. Oktober 2008 für die Zeit ab 1. Februar 2009 auf und bewilligte zugleich Leistungen gemäß § 3 AsylbLG. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 9. Februar 2009 Widerspruch ein.
Am 11. Februar 2009 hat der anwaltlich vertretene Antragsteller beim Sozialgericht beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm monatlich Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG (weiter) zu gewähren.
Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 1. April 2009 abgelehnt, weil weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Die von der zuständigen Kammervorsitzenden unterschriebene Abschlussverfügung datiert vom 9. April 2009. Der Beschluss ist der Bevollmächtigten des Antragstellers am 16. April 2009 zugestellt worden.
Bereits mit Schriftsatz vom 1. April 2009, beim Sozialgericht eingegangen am 2. April 2009, hatte die Bevollmächtigten des Antragstellers ergänzend beantragt festzustellen, dass der Widerspruch vom 9. Februar 2009 aufschiebende Wirkung hat.
Der weiterhin anwaltlich vertretene Antragsteller hat gegen den Beschluss vom 1. April 2009 am 18. Mai 2009, einem Montag, Beschwerde eingelegt. Ohne in der Sache einen bestimmten Antrag zu stellen, macht er unter anderem geltend, dass der Widerspruch vom 9. Februar 2009 gegen den Bescheid vom 22. Januar 2009 aufschiebende Wirkung habe. Das Sozialgericht hätte den ursprünglichen Antrag, gegebenenfalls nach Erteilung eines richterlichen Hinweises, auslegen müssen. Im Beschwerdeschriftsatz hat der Antragsteller zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umf...