Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage. Rechtsschutzbedürfnis. verfassungskonforme Auslegung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsverwaltungsakt. angemessene Gegenleistung des Grundsicherungsträgers zu den auferlegten Eigenbemühungen. keine Zusicherung der Übernahme von Reisekosten zur Wahrnehmung von Melde- und Beratungsterminen
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches oder einer Anfechtungsklage im Sinne von § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG gegen einen Eingliederungsverwaltungsaktes besteht jedenfalls dann noch ein Rechtschutzbedürfnis, wenn der Geltungszeitraum des Verwaltungsaktes noch nicht abgelaufen ist. Auf Rechtschutzmöglichkeiten gegen einen etwaigen späteren Minderungsbescheid im Sinne von §§ 31ff SGB II kann ein Antragsteller nicht verwiesen werden.
2. In einem Eingliederungsverwaltungsakt geregelte Gegenleistungen eines Jobcenters in Form von Personal- und Sachleistungen können angemessene Gegenleistungen in Bezug auf geforderte Bewerbungsbemühungen sein (hier bejaht für die Möglichkeit, einen "JobClub" kostenfrei nutzen zu können).
3. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass eine Gegenleistung des Jobcenters in Form einer Zusicherung von finanziellen Zuwendungen erfolgt.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 4a S. 1, § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 39 Nrn. 1, 3; SGB III § 309 Abs. 1, 4; SGB I § 39 Abs. 1; EAO § 3; SGB X § 55 Abs. 1 S. 2, § 58 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3; GG Art. 19 Abs. 4; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1, § 15 Abs. 1, 2 Sätze 1-3, Abs. 3 S. 3, § 54 Abs. 1 Sätze 1-2, § 86a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 4, §§ 103, 123, 131 Abs. 1 S. 3
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 4. April 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 19. Juli 2019 gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt) vom 13. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2019.
Der Antragsteller bezieht fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Mit Schreiben vom 1. November 2018 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller einen Vorschlag zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Der Antragsteller teilte mit Schreiben vom 10. November 2019 mit, dass er die vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung in der jetzigen Form nicht unterschreiben werde. Auf seine persönliche Erkrankung müsse näher eingegangen werden, damit er die Vereinbarung erfüllen könne. Zudem habe er diverse Fehler gefunden, um deren Beseitigung er bitte, damit ihm daraus kein unlauterer Nachteil entstehe.
Mit Bescheid vom 13. März 2019 erließ der Antragsgegner einen Eingliederungsverwaltungsakt, gültig vom 13. März 2019 bis zum 12. September 2019. Der Bescheid ergehe, um die beruflichen Integrationschancen des Antragstellers möglichst kurzfristig zu verbessern, nachdem er schriftlich angegeben habe, die Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreiben zu wollen, und nachdem die angegebene Gründe geprüft und nicht als wichtige Gründe hätten anerkannt werden können. Ziel sei die Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Der Antragsgegner verpflichte sich, zu einer individuellen Beratung und umfassenden Information zu den Themen Arbeitsmarkt, Arbeitsvermittlung und Fördermöglichkeiten nach dem persönlichen Bedarf des Antragstellers, zur Aufnahme des Bewerberprofils des Antragstellers auf der Internetseite der Arbeitsagentur, zur Gewährleistung der Zugriffsmöglichkeit auf Stellenangebote, Merkblätter und aktuelle Informationen auf der Homepage der Arbeitsagentur, zur Einbeziehung des Antragstellers in Vermittlungsaktivitäten, Unterbreiten passgenauer Stellenangebote und Vermittlungsvorschläge und kostenfreien Nutzungsmöglichkeit des "JobClubs". Der Antragsteller wurde demgegenüber verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken (insbesondere jede angebotene zumutbare Arbeit anzunehmen), zusätzlich zu Vermittlungsvorschlägen des Antragsgegners monatlich mindestens vier Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und nachzuweisen sowie sich auf Vermittlungsvorschläge des Antragsgegners binnen drei Tagen nach Erhalt zu bewerben und dies nachzuweisen. Er habe sich dabei auch bei Zeitarbeitsfirmen und auf befristete Stellen zu bewerben und die Eigenbemühungen bis zum 10. Kalendertag monatlich nachzuweisen. Ferner werde der Antragsteller verpflichtet,...