Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Äußerungsrecht des Beklagten. keine Verletzung von Sozialgeheimnis und Sozialdatenschutz. Verzinsung. sinngemäße oder stillschweigende Ablehnung des Zinsanspruchs durch Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Es werden weder das Sozialgeheimnis noch der Sozialdatenschutz verletzt, wenn entsprechend § 118 Abs 1 S 1 ZPO dem Beklagten die Äußerungsmöglichkeit durch das Gericht eingeräumt wird und der Beklagte von seinem Äußerungsrecht Gebrauch macht.
2. In einer unterbliebenen Zinsentscheidung kann eine sinngemäße oder stillschweigende Ablehnung des Zinsanspruchs durch Verwaltungsakt zu sehen sein. Erforderlich sind besondere Einzelfallumstände, die dem Schweigen zum Zinsanspruch klar und unmissverständlich einen ablehnenden Inhalt geben könnten.
Tenor
I. Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. April 2013 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Über die Beschwerden vom 30. Mai 2013, mit denen sich die Kläger gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, in dem höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Monate August und September 2011 streitig waren, wenden, kann nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Klageverfahrens, entschieden werden (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Mai 2013 - L 3 AS 391/13 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 9, m. w. N.).
II.
Die Beschwerden vom 30. Mai 2013 sind zulässig, insbesondere statthaft.
Maßgebend ist § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 6 des Gesetzes vom 5. August 2008 [BGBl. I S. 1127]). Die seit 25. Oktober 2013 geltende Fassung von § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB II (vgl. Artikel 7 Nr. 11 Buchst. c des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]) findet nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechtes keine Anwendung. Dieses gebietet, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 = BVerfG 87, 48 = NJW 1993, 1123; Sächs. LSG, Beschluss vom 20. November 2009 - L 3 B 261/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 15).
Die Beschwerde ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG a. F. ausgeschlossen, weil das Sozialgericht bei der Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht ausschließlich die persön-lichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneinte. Sie ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG a. F. ausgeschlossen. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG a. F. war die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies galt gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG a. F. auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Der Wortlaut dieses zweiten Halbsatzes war eindeutig. Die Regelung konnte deshalb nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ausgedehnt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates ist auch ein Rückgriff auf die Beschwerdeausschlussregelung in § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), sei es in Verbindung mit § 73a Abs. 1 SGG oder in Verbindung mit § 202 SGG oder in analoger Anwendung, nicht möglich (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Juni 2012 - L 3 Sächs. LSG, Beschluss vom 20. November 2009 - L 3 AS 158/12 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 11). Aus diesem Grund ist vorliegend der Wert des Beschwerdegegenstandes in einem etwaigen Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich.
III.
Das Beschwerdeverfahren leidet an keinem Verfahrensmangel. Insbesondere wurde entgegen den Rügen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 9. April 2014 weder das Sozialgeheimnis noch der Sozialdatenschutz dadurch verletzt, dass dem Beklagten des Klageverfahrens Gelegenheit gegeben wurde, im Verfahren der Prozesskostenhilfe-beschwerde eine Stellungnahme abzugeben. Zwar ist Beschwerdegegner in einem Beschwerdeverfahren, das die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages zum Gegenstand hat, die Staatskasse (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 4. Januar 2011 - L 3 AS 260/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 17). Jedoch war gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (vgl. Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 [BGBl. I S. 3202]) vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn dies nicht aus besonderen Gründen u...