Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. rückwirkende PKH-Bewilligung. Prozesskostenhilfebedürftigkeit: Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse. Ausfüllen der Formulare und Vorlagepflicht von Belegen. keine prozessuale oder materielle Bewilligungsvoraussetzung. Nichtvorliegen der Entscheidungsreife. keine rückwirkende Beseitigung im PKH-Beschwerdeverfahren. Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens. gerichtliche Fristsetzung hinsichtlich Vorlage der Erklärung. Mitwirkungspflicht des PKH-Antragstellers. Beschwerde. Wert des Beschwerdegegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in § 117 Abs 4 ZPO, wonach sich die Partei der Formulare für die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedienen muss, soweit solche Formulare eingeführt sind, beinhaltet keine prozessuale oder materielle Bewilligungsvoraussetzung.
2. Die Pflicht zur Vorlage von Belegen gemäß § 117 Abs 2 S 1 ZPO ist kein Formerfordernis des Prozesskostenhilfegesuchs, sondern dient allein der Glaubhaftmachung.
3. Zur Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfeantrages.
4. Der Mangel der zum Zeitpunkt der Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vorhandenen Entscheidungsreife kann nicht mehr im Beschwerdeverfahren rückwirkend beseitigt werden.
5. Ein Sozialgericht ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine Frist zur Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der zugehörigen Belege zu setzen. Es obliegt vielmehr dem Antragsteller, seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nachzukommen und damit dafür Sorge zu tragen, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auch über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden werden kann (Fortführung der Senatsrechtsprechung: LSG Chemnitz, Beschluss vom 20.11.2009 - L 3 B 261/08 AS PKH - JURIS Dokument Rdnr 22).
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, § 118 Abs. 2 S. 4, § 127 Abs. 2 S. 2; SGG § 73a Abs. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGG a.F. § 172 Abs. 3 Nr. 1
Tenor
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. August 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfeantrages.
Am 29. April 2013 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben lassen. Sie hat über die für Juni und August 2013 in Höhe von 35,00 EUR und 16,00 EUR bewilligten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Dezember 2012 Leistungen in gesetzlicher Höhe begehrt. Im Kern ist die Höhe des anzurechnenden Einkommens streitig. Eine ausführliche Begründung der Klage ist angekündigt worden. Zugleich hat der Klägerbevollmächtigte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt. Die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit der Klägerin ergebe sich aus der nachzureichenden Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Das Sozialgericht hat den Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. Juli 2013 aufgefordert, die Klage zu begründen, ihn auf die Zurückweisungsregelung in § 106a Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen und zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2013 hat der Klägerbevollmächtigte zur Sache Stellung genommen.
Das Sozialgericht hat am 15. August 2013 die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Ferner hat es den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom selben Tag wegen fehlender Erfolgsaussicht unter Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid abgelehnt.
Der Klägerbevollmächtigte hat gegen den ihm am 21. August 2013 zugestellten Beschluss Beschwerde am 16. September 2013 eingelegt. Ebenfalls hat er gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt (Az. L 3 BK 14/13).
Der Vertreter der Staatskasse hat im Schriftsatz vom 2. Oktober 2013 die Auffassung vertreten, dass die Beschwerde wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig sei. Denn es liege bislang kein ordnungsgemäßer Antrag vor. Es sei bislang nichts zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt worden. Es liege keine Bewilligungsreife vor.
Der Klägerbevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 12. November 2013 unter anderem vorgetragen, dass eine ordnungsgemäße Antragstellung die Angelegenheit der Partei sei, die Prozesskostenhilfe für sich beantragen wolle. Wenn Prozesskostenhilfeunterlagen fehlen würden, habe das Gericht darauf hinzuweisen. Die Vorlage eines vollständig ausgefüllten Formulars sei keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dem Schriftsatz ist die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt gewesen.
Im weiteren Verlauf ist zwischen den beiden Seiten unter anderem die Frage des Beibringungsgrundsatzes und der Amtsermittlungspflicht im Prozesskostenhilferecht kontrovers erörtert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden ...