Entscheidungsstichwort (Thema)

Rehabilitation und Teilhabe. Eingliederungshilfe. soziale Teilhabe. Assistenzleistungen. Behinderung und Pflegebedarf. häusliche Pflege. häusliche Pflegehilfe. Sicherstellung im Arbeitgebermodell. Persönliches Budget. Vorschuss. Fehlen einer Zielvereinbarung. Bedarfsfeststellung. angemessene Vergütung der Assistenten. Erforderlichkeit einer besonderen fachlichen Qualifikation. 24-Stunden-Assistenz. Anwendbarkeit des ArbZG

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Angemessenheit der Vergütung der persönlichen Assistenten bei Sicherstellung der Eingliederungshilfe und der häuslichen Pflege im Wege des Arbeitgebermodells.

 

Orientierungssatz

1. Eine fehlende Zielvereinbarung steht der Durchsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Vorschusses auf ein Persönliches Budget nicht entgegen.

2. Im Arbeitgebermodell ist eine besondere fachliche Qualifikation der Assistenten grundsätzlich nicht erforderlich. Es genügt, dass sie von dem behinderten Menschen als Arbeitgeber angelernt und in ihre Arbeit eingewiesen worden sind (vgl BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 1/12 R = BSGE 113, 92 = SozR 4-3500 § 65 Nr 4, RdNr 17).

3. Zur Anwendbarkeit des ArbZG bei einer sog 24-Stunden-Assistenz.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 29. April 2021 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe eines monatlichen Vorschusses für Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege, insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit der Vergütung für eine 24-Stunden-Assistenz im Arbeitgebermodell.

Die 1988 geborene Antragstellerin leidet an einer spinalen Muskelatrophie Typ 2 mit Tetraparese. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 100. Ihr Schwerbehindertenausweis ist mit den Merkzeichen B, H, G und aG versehen. Sie bezieht vom Jobcenter A.... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragstellerin ist auf die Benutzung eines Elektrorollstuhls angewiesen. Aus der sozialen Pflegeversicherung erhält sie Leistungen nach dem Pflegegrad 4 seit dem 1. Januar 2017. Die Y....-Pflegekasse hatte die bis zum 31. Dezember 2016 gewährten Leistungen nach der damaligen Pflegestufe 3 auf der Grundlage des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 26. Februar 2001 unter Bezugnahme auf die Änderungen nach dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz übergeleitet nach dem Pflegegrad 4 (Bescheid vom 24. Oktober 2016), ohne die Antragstellerin zuvor erneut begutachtet zu haben. Daneben bezieht die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege für die notwendigen Betreuungs- und Assistenzleistungen, zuletzt in Form einer 24-Stunden-Assistenz im Arbeitgebermodell. Für den Zeitraum vom 1. März 2019 bis 31. Oktober 2019 (Bescheid vom 12. April 2019; Widerspruchsbescheid vom 8. September 2019) legte die Antragsgegnerin zu erstattende Kosten von 13,89 EUR/Stunde für 17 Aktivstunden und 9,19 EUR/Stunde für 7 Passivstunden in Anlehnung an die nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) Pflege Entgelttabelle (P-Tabelle), Gruppe P6, Stufe 2 aus dem Vorjahr geltenden Stundensätze zugrunde. Über die dagegen beim Sozialgericht Dresden erhobene Klage (Az.: S 42 SO 272/20) ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin beantragte im November 2019 für den Zeitraum ab November 2019 bis Dezember 2020 ein persönliches Budget. Über den Antrag wurde bisher nicht entschieden. Über die dagegen erhobene Untätigkeitsklage beim SG Dresden (S 42 SO 83/21) ist noch nicht entschieden worden.

Die Antragsgegner zahlte in Umsetzung einer vor dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) am 4. November 2019 im Rahmen einer Güterichterverhandlung (L 9 SF 123/19 GR) getroffenen Vereinbarung ab Dezember 2019 bis März 2020 einen monatlichen Vorschuss in Höhe von 12.917,89 EUR. Die Berechnung beruhte auf einer von der Antragstellerin selbst vorgelegten Kalkulation mit einem Stundensatz von 13,89 EUR für 17 Aktivstunden und 9,19 EUR für 7 Passivstunden unter Berücksichtigung der geltenden TVöD- Stundensätze. Für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen monatlichen Vorschuss in Höhe von 13.300 EUR aufgrund der Erhöhung der Tariflöhne und des Mindestlohnes (Bescheid vom 27. März 2020).

Die Antragstellerin beantragte am 20. November 2020 erneut die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets. Sie legte eine Auflistung der von den Pflegehilfskräften durchgeführten täglichen Verrichtungen und eine Berechnung der durchschnittlichen Assistenzkosten vor und gab an, ab Januar 2021 mit ihren Assistenzkräften nunmehr - ohne Unterscheidung in Aktiv- und Passivstunden - einen einheitlichen Bruttostundenlohn von 17,00 EUR vertraglich vereinb...

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