Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Zustellung. Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein
Orientierungssatz
1. Die in § 178 zur Ersatzzustellung getroffenen Regelungen gelten nicht, wenn durch Einschreiben mit Rückschein nach § 175 ZPO zugestellt wird (vgl BSG vom 7.10.2004 - B 3 KR 14/04 R = SozR 4-1750 § 175 Nr 1).
2. Da es an einer Regelung in der ZPO und auch in § 63 SGG darüber fehlt, ob und wann gegenüber dem Adressaten eine Zustellung als wirksam gilt, wenn ein Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein an einen in den AGB des Postzustellunternehmens genannten Ersatzempfänger ausgehändigt worden ist, ist die eine vergleichbare rechtliche Situation betreffende Regelung des § 130 Abs 1 S 1 BGB über das Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden heranzuziehen (BSG, aaO).
3. Eine Erklärung, die ein Empfangsbote entgegennimmt, geht dem Adressaten zu dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war. Empfangsbote ist eine Person, die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Februar 2003 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01. Mai 1998 bis 30. Dezember 1998 und vom 01. Januar 1999 bis 31. Januar 2001 wegen fehlender Arbeitslosigkeit sowie ab 01. Februar 2001 wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit aufgehoben und eine Erstattungsforderung von 50.820,99 DM erhoben hat (drei Bescheide vom 06. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2001). Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) nach Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2003 abgewiesen. Das Urteil wurde ausweislich des Rückscheines unter der Adresse des Klägers am 05. April 2003 von einer Frau C. S. in Empfang genommen.
Der Schriftsatz vom 16. Mai 2003, mit dem der Kläger hiergegen Berufung eingelegt hat, wurde am 19. Mai zur Post gegeben und ging am 20. Mai beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein.
Der Kläger hat sich nach Hinweis des Senats auf die Versäumung der Berufungsfrist und die Glaubhaftmachung von Gründen für die Wiedereinsetzung dahin geäußert, dass Frau S. ihm nach seinem Urlaub - dessen Ort und Dauer er auch nach Nachfrage des Senats nicht näher spezifiziert hat - dieses Urteil “sicherlich zu einem Datum übergeben habe, zu dem er der Annahme gewesen sei, dass er die Frist auch eindeutig eingehalten habe". Glaubhaft solle der 16. Mai sein, denn er sei sicherlich davon ausgegangen, dass dieses Schriftstück am gleichen Tag von Frau S. in Empfang genommen worden sei. Auf Nachfrage des Senats, ob Frau S. in seinem Haushalt gewohnt oder während der Urlaubsabwesenheit den Haushalt betreut habe, äußerte er sich dahin, dass diese nicht in seiner Wohnung wohne. Er fügte eine “eidesstattliche Erklärung" von Frau S. bei, wonach diese in Abwesenheit des Klägers “scheinbar" die Post des Klägers in Empfang genommen habe. Zu welchem Zeitpunkt sie diese Post übergeben habe, könne sie derzeit nicht genau bestimmen. Auf Nachfrage, wann der Kläger im April/Mai 2003 aus dem Urlaub zurückgekommen sei, äußerte sich der Kläger dahin, dass er am folgenden Tag mit weiterer Post von Frau S. das Urteil erhalten habe. Er könne nicht mehr genau sagen, ob er das Antwortschreiben einen oder max. zwei Tage später an das LSG verfasst habe. Auch nach nochmaliger Nachfrage, von wann bis wann der Kläger im Zeitraum vom 24. Februar 2003 bis 16. Mai 2003 wo in Urlaub gewesen sei, antwortete der Kläger nicht.
Der Kläger beantragt,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. Februar 2003 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 06. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Berufung sei verfristet eingelegt worden. Im Übrigen seien die angefochtenen Entscheidungen rechtlich zutreffend. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung wird gem. § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen Unzulässigkeit verworfen. Der Senat hat insoweit von dem durch § 158 SGG eingeräumten Ermessens, durch Beschluss zu entscheiden, Gebrauch gemacht.
Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wurde. Das Urteil wurde a...