Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berechnung der Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern und Zeugen für Nachteile bei der Haushaltsführung bzw Verdienstausfall
Leitsatz (amtlich)
1. a) Zeitlicher Maßstab für die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern und Zeugen ist die Zeit der Heranziehung, nicht die Zeit ausgefallener Arbeit bzw ausgefallener Haushaltsführertätigkeit.
b) Die zeitliche Begrenzung ergibt sich ausschließlich aus § 15 Abs 2 S 1 JVEG, § 19 Abs 2 S 1 JVEG.
2. Verdienstausfallentschädigung gem § 18 bzw § 22 JVEG wird nicht für Stunden gewährt, sondern für geldbetragsmäßig nachgewiesenen Verdienstausfall. Der tatsächliche Verdienstausfall wird vollständig ersetzt, solange nicht der Betrag überschritten wird, der sich durch die Multiplikation von Heranziehungszeit mit den Stundensätzen nach § 18 bzw § 22 JVEG ergibt.
3. Der Haushaltsführer hat die Wahl, die Kosten der notwendigen Vertretung konkret geltend zu machen, oder - ohne Nachweis eines konkreten Vermögensnachteils - nach Stundensätzen (12 € pro Stunde Heranziehungszeit einheitlich für ehrenamtliche Richter und Zeugen) abzurechnen.
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung für die ehrenamtliche Richterin Frau U.. S…(Beschwerdegegnerin), die an Sitzungen der 23. Kammer des Sozialgerichts Leipzig vom 16.12.2008 (8.30 Uhr bis 15.15 Uhr) und am 10.02.2009 (8.30 Uhr bis 13.30 Uhr) teilgenommen hatte.
Einschließlich der Fahrzeiten ergaben sich Abwesenheitszeiten von neun Stunden (16.12.2008) bzw. sieben Stunden (10.02.2009).
Mit Bescheid vom 19.02.2009 wurde der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass die Entschädigung auf 72,00 € für den 16.12.2008 und auf 56,00 € für den 10.02.2009 festgesetzt werde.
Für den 16.12.2008 wurden 21,00 € Fahrtkosten und 6,00 € Tagegeld bewilligt, für den 10.02.2009 nur 21,00 € Fahrtkosten. Diese Beträge sind nicht streitig. Streitig ist, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis nur nach § 16 JVEG (5,00 € je Stunde) und nicht nach § 17 JVEG (12,00 € je Stunde) festgesetzt worden war. Dies rügte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 20.04.2009, welches als Antrag nach § 4 JVEG der zuständigen Kammer des Sozialgerichts vorgelegt wurde.
Sie teilte mit, dass ihr Mann Rentner sei (nicht arbeitsuchend) und sie selbst den Haushalt führe. Außerdem pflege sie ihre Mutter (gehbehindert und Krebs). Ihre blinde Schwiegermutter werde von ihrem Mann und ihr gemeinsam gepflegt. Während ihrer Abwesenheit durch ihr Ehrenamt übernehme ihr Mann die Pflege der beiden pflegebedürftigen alten Damen. Dadurch sei er nicht in der Lage, die Aufgaben für den Haushalt zu übernehmen.
Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, ein Anspruch auf Haushaltsführerentschädigung nach § 17 JVEG bestehe nicht. Es sei unwahrscheinlich, dass ausgerechnet während der Zeit der Hinzuziehung Haushaltstätigkeiten hätten verrichtet werden müssen. Schließlich bedürfe die tägliche Hausarbeit in einem Zwei-Personenhaushalt nicht eines Umfangs von 8 oder 10 Stunden. Ansonsten wäre sie nämlich durch Berufstätige, die lediglich nach Feierabend oder an Wochenenden Zeit für den Haushalt finden, nicht zu bewältigen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.06.2009 die Haushaltsführerentschädigung zugesprochen, es ergaben sich damit Beträge von 180,00 € für den 16.12.2008 und 140,00 € für den 10.02.2009. Die Voraussetzungen des § 17 JVEG seien erfüllt: Die Beschwerdegegnerin sei nicht erwerbstätig und führe den Haushalt für sich und ihren Ehemann, also für mehrere Personen. Die Regelung in § 17 JVEG bezwecke die Gleichstellung der Tätigkeit der Haushaltsführung mit der Erwerbstätigkeit. Ebenso wie der Erwerbstätige eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall erhalte und nicht darauf verwiesen werde, vor oder nach seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter am selben Tag seiner Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen, um einen Verdienstausfall zu vermeiden, so solle auch der Haushaltsführer eine Entschädigung erhalten, ohne dass es auf das Vor- oder Nacharbeiten von Haushaltstätigkeiten ankomme. Der Haushaltsführer erhalte die Entschädigung weder für seinen Ausfall an Zeit (insofern sei § 16 JVEG die speziellere Regelung) noch für einen etwaigen Geldverlust (insofern sei die Haushaltsführung nicht mit einem konkreten Geldwert, der zu- oder abfließt, verbunden), sondern allein für “Nachteile„ bei der Haushaltsführung, wie die amtliche Überschrift des § 17 JVEG verdeutliche.
Alle Überlegungen, die an ein mögliches Surrogat der Haushaltsführung anknüpften, also dergestalt, dass der anwesende Ehegatte die Tätigkeit übernehmen könnte, dass der Haushalt einfach einmal (für wenige Stunden) liegen bleibe, dass die Haushaltsführung zeitlich verlagert werde usw., stünden nicht auf dem Boden der gesetzlichen Vorgabe, dass lediglich die durch ehrenamtliche Tätigkeit entstehenden Nachteile bei der Ha...