Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Zulässigkeit. bestandskräftiger Verwaltungsakt. Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist unzulässig, wenn gegen den angegriffenen Bescheid kein Widerspruch eingelegt worden ist. Ein Antrag nach § 44 SGB X ändert die Bestandskraft des Bewilligungsbescheids so lange nicht, wie ihm nicht ganz oder teilweise entsprochen worden ist (vgl LSG Halle vom 6.7.2011 - L 5 AS 226/11 B ER = juris RdNr 16, 20 f; LSG Celle-Bremen vom 28.3.2011 - L 13 AS 82/11 B ER = juris RdNr 8; LSG Berlin-Potsdam vom 27.1.2011 - L 14 AL 373/10 B ER = juris RdNr 3; LSG München vom 23.9.2010 - L 7 AS 651/10 B ER = juris RdNr 19; SG Dortmund vom 2.10.2014 - S 32 AS 1991/14 ER = juris RdNr 31; LSG Halle vom 5.4.2011 - L 5 AS 342/10 B ER = juris RdNr 19 ff).

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 30. November 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum ab dem 25.10.2017, insbesondere jedoch über die Zulässigkeit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz.

Die 1963 geborene, alleinstehende Antragstellerin, die vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, bewohnt seit Januar 2012 eine 58,91 m² große Wohnung in der Z-Straße... in A..... Seit November 2015 beträgt die monatliche Grundmiete 271,70 € zuzüglich 118,00 € Betriebskostenvorauszahlung und 25,00 € Heizkostenvorauszahlung.

Der Antragsgegner berücksichtigte bei der Leistungsbewilligung bis zum April 2016 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Er hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.09.2015 wegen zu hoher Kosten der Unterkunft zur beabsichtigen Absenkung auf angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung ab Mai 2016 in Höhe von 294,57 € an. Mit Bewilligungsbescheid vom 11.04.2016 berücksichtigte der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2016 bis 31.10.2016 lediglich 294,57 € als Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit bestandskräftigem Bewilligungsbescheid vom 19.09.2016 berücksichtigte der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum vom 01.11.2016 bis 31.10.2017 erneut lediglich 294,57 € als Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Bewilligungsbescheid vom 25.09.2017 nahm der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum vom 01.11.2017 bis 31.10.2018 ebenfalls lediglich die Berücksichtigung von 294,57 € als Kosten der Unterkunft und Heizung vor. Dagegen erhob die Antragstellerin ebenfalls keinen Widerspruch.

Mit Schreiben vom 23.10.2017, das am 25.10.2017 beim Sozialgericht Leipzig (SG) eingegangen ist, hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Sie könne nunmehr die monatliche Mietdifferenz, die sie selbst trage, nicht mehr stemmen. Ein Umzug sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Die Miete sei angemessen, da der Antragsgegner aufgrund des veränderten Wohnungsmarktes in A.... verpflichtet sei, sein Konzept zu den angemessenen Kosten der Unterkunft aus 2014 anzupassen.

Mit Schreiben vom 11.11.2017 hat die Antragstellerin beim Antragsgegner die Überprüfung des bestandskräftigen Leistungsbescheides vom 25.09.2017 für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis zum 31.10.2018 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt. Den Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2017 abgelehnt.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 30.11.2017 verworfen. Er sei bereits unzulässig. Ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung sei nämlich nur statthaft, wenn gegenüber dem Antragsteller noch kein bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliege. Die streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide vom 19.09.2016 und vom 25.09.2017 seien jedoch nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist bestandskräftig und somit für die Beteiligten bindend geworden. Damit scheide der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits mangels Vorliegens eines streitigen Rechtsverhältnisses aus (Sächsisches LSG ≪SächsLSG≫, Beschluss vom 26.05.2011 - L 3 AS 378/11 B ER, juris, Rn. 17). Etwas anderes folge auch nicht daraus, das die Antragstellerin beim Antragsgegner nunmehr nach Anhängigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Überprüfung der Bescheide gemäß § 44 SGB X beantragt habe. Zum einen hebe der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 11.11.2017 die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 25.09.2017 so lange nicht auf, bis ihm ganz oder teilweise entsprochen worden sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.07.2011 - L 5 AS 226/11 B ER, juris, Rn. 20). Zum anderen könne der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 25.1...

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