Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Glaubhaftmachung. Sozialhilfe. Krankenhilfe. häusliche Krankenpflege. Behandlungspflege. Verordnung. Nachrang der Sozialhilfe. Leistung der privaten Krankenversicherung. Darlegung der Leistungsablehnung. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. häusliche Pflegehilfe. Bestehen einer Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger. Arbeitgebermodell. Bestehen eines Arbeitsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgebermodell gemäß § 64f Abs 3 SGB XII setzt voraus, dass der Pflegebedürftige Arbeitsverträge mit den ihn pflegenden Pflegekräften abgeschlossen hat.
2. Ein Anspruch auf Hilfe zur Krankheit gem § 48 SGB XII gegen den Sozialhilfeträger besteht nicht, wenn der Leistungsberechtigte im Bedarfsfall durch Inanspruchnahme seiner privaten Krankenversicherung sofort Leistungen beziehen kann. Ist die begehrte Leistung grundsätzlich vom abgeschlossenen Krankenversicherungstarif umfasst, muss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes konkret dargelegt werden, dass und aus welchen Gründen die Krankenversicherung die Leistung ablehnt.
Orientierungssatz
1. Unabdingbar für die Bewilligung von Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB 5 ist die ärztliche Verordnung im Sinne der nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5 beschlossenen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (juris: HKPRL; vgl LSG Halle vom 24.4.2017 - L 8 SO 50/16 B ER = FEVS 69, 183).
2. Im Rahmen des § 64b SGB 12 setzt eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger voraus, dass er mit den Pflegekräften oder Pflegediensten entsprechenden Vereinbarungen über Inhalt, Umfang; Qualität und Vergütung der Leistung abschließt (§§ 75, 76 SGB 12).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. März 2020 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt vom Antragsgegner (Ag.) „weitere Leistungen“ nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), insbesondere wohl weitere Hilfe zur Pflege und Hilfe bei Krankheit.
Der 1943 geborene Ast. bezieht seit dem 1. November 2014 vom Ag. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII. Die Gewährung der Grundsicherungsleistungen erfolgt unter dem Vorbehalt des Aufwendungsersatzes gem. § 19 Abs. 5 SGB XII, u. a. weil der Ast. ausweislich der vorgelegten Unterlagen das von ihm bewohnte Grundstück an seinen Sohn und ein weiteres Grundstück sowie seinen Pkw an seine Ehefrau unentgeltlich übereignet hatte. Der Ast. ist bei der Y.... X.... Krankenversicherung AG (Y....) privat kranken- und pflegeversichert (Tarif BS9 mit einer Selbstbeteiligung von 320,00 EUR im Jahr und Tarif PVNN - Private Pflegepflichtversicherung). Hierfür hatte er bis zum 31. März 2020 einen Beitrag in Höhe von 560,87 EUR und seit dem 1. April 2020 einen Beitrag in Höhe von 600,85 EUR zu entrichten. Ab dem 1. April 2021 beträgt der Beitrag 637,54 EUR. Für den Basistarif bescheinigte die Y.... zu zahlende (bereits halbierte) monatliche Beiträge in Höhe von insgesamt 320,91 EUR (Krankenversicherung: 265,03 EUR; Pflegepflichtversicherung: 55,88 EUR) bis einschließlich März 2020 und in Höhe von 292,92 EUR (Krankenversicherung: 242,78 EUR; Pflegepflichtversicherung 50,14 EUR) seit dem 1. April 2020.
Der Ast. ist nach operativer Behandlung einer Wirbelkanalstenose im Bereich der Halswirbelsäule aufgrund einer Lähmung beider Arme und einer Teillähmung beider Hände und Beine pflegebedürftig und bezieht aus seiner privaten Pflegepflichtversicherung Pflegegeld in Höhe von monatlich 728,00 EUR (Pflegegrad 4). Desweiteren leidet der Ast. an Diabetes mellitus und einem Lymphödem beider Beine. Im Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit von W.... vom 21. Dezember 2010 wurde ein Pflegeaufwand von 322 Minuten pro Tag ermittelt. Beim Antragsteller besteht seit dem 13. August 2010 ein Grad der Behinderung von 100. Zudem sind die Merkzeichen „G“, „aG“ und „H“ festgestellt. Eine ergänzende Begutachtung durch W.... erfolgte am 19. Februar 2020 im Zusammenhang mit der Beurteilung der Notwendigkeit eines Dusch-Schieberollstuhles und einer ebenerdig befahrbaren Dusche. Nach dem Gutachten vom 31. März 2020 kann der Ast. nach Einbau eines Treppenlifters das Kellergeschoss im Haus und so den barrierefreien Hauseingang sowie den Sanitärbereich mit Dusche sicher erreichen und kurze Wegstrecken in der Wohnung zurücklegen. Sturzgefahr bestehe auf dem Weg zur Dusche durch eine 8 cm hohe Stufe sowie beim Ein- und Aussteigen bei der Benutzung der Dusche. Dabei müsse er gehalten werden.
Ab dem 31. Oktober 2014 wurde der Ast. von einem ambulanten Pflegedienst unter Inanspruchnahme entsprechend höherer Kostenerstattung durch seine private Pflegeversicherung betreut. Ab dem 27. März 2015 schloss er einen Dienstleistungsvertrag mit einem polnischen Pflegeu...